Eine neue Sprache lernen: Meine Erfahrung

16. Juli 2024   |   Paul Schweizer

Hola, ich bin Paul und möchte euch einen Einblick in meine Erfahrungen geben

Eine der größten Umstellungen war für mich sicherlich der Wechsel der Sprache. Zwar hatte ich in Deutschland für einige Zeit Spanischunterricht an der Schule, dennoch kam ich mit einem sehr geringen Wissensstand nach Costa Rica. Zum einen waren meine Spanischstunden bereits ein paar Jahre her, zum anderen habe ich meine Stunden mit nur wenig Motivation und noch weniger Erfolg besucht. Doch ich denke, selbst wenn ich Musterschüler mit Topnoten gewesen wäre, hätte mich dies wohl nur zu einem gewissen Punkt vorangebracht. Zum einen, da Sprache in einem Klassenzimmer meistens sehr anders ist als das, was man im echten Leben tatsächlich braucht, und vor allem, da sich das „europäische“ Spanisch, das man in der Schule lernt, enorm vom „lateinamerikanischen“ Spanisch hier vor Ort unterscheidet. So bin ich dann also im August 2023 mit extrem brüchigem Spanisch nach Costa Rica aufgebrochen in der Hoffnung, mir die Sprache hier schnell anzueignen. In meinem folgenden Blog werde ich versuchen, die Entwicklung meiner Sprachkenntnisse festzuhalten und so einen kleinen Einblick in meine Zeit hier zu geben.

Die ersten Wochen – Sprachkurs

Die ersten beiden Wochen hier im neuen Land verbrachte ich mit einigen anderen Freiwilligen in einem gemeinsamen Sprachkurs. Neben vielen schönen Landschaften und einem tollen neuen Klima erfuhr ich hier in Bezug auf meine Sprachkenntnisse vor allem eins: einen harten Realitätscheck. Meine Vokabeln schienen weiter weg denn je, und ich begann es ein bisschen zu bereuen, den Unterricht nicht doch ein bisschen aufmerksamer verfolgt zu haben. Es gab neben mir noch andere Freiwillige, die sich selbst als „Anfänger*innen“ bezeichneten, aber wie so vieles andere auch ist das wohl Definitionssache. Im Vergleich zu den meisten anderen kam ich mir mit meinem Spanisch recht abgehängt vor. Bei einer Übung, die mir hier besonders im Kopf geblieben ist, standen wir im Kreis und mussten spanische Verben aufzählen, bis uns keine mehr einfallen. Nach einer Handvoll Begriffe wurde es mit meinem begrenzten Vokabular doch schwer. Insgesamt hatte ich beim Sprachkurs eine sehr schöne Zeit, doch mir wurde auch klar gezeigt, wie sehr ich mir mit der Sprache schwertue, und dass meine Lücken nicht innerhalb von zwei Wochen aufgeholt werden können.

September bis November

Das Schwierigste in der Anfangsphase war die Kombination aus fehlendem Spanisch und dem absoluten Bedürfnis, sich mitzuteilen. Es war die Ankunft in eine neue Kultur, das Willkommen in einer neuen Familie und der Beginn einer neuen Arbeit. Es war mir wichtig, mich vorzustellen und etwas über mein Umfeld zu erfahren, was durch meine fehlenden Sprachkenntnisse eine Herausforderung war. Besonders frustrierend war dies in der Schule, wenn kleine Kinder auf mich zu gerannt kamen, um mir etwas zu erzählen oder um mich etwas zu fragen, und ich nicht antworten konnte. Auch wurde mir in dieser Phase klar, wie sehr sich das costa-ricanische Spanisch von dem Spanisch unterscheidet, das ich in der Schule gelernt habe. Neben komplett anderer Aussprache und vielen Unterschieden im Vokabular sind sogar die Pronomen völlig anders als in Spanien. „Tú“ und „Vosotros“ also „Du“ und „Ihr“ werden hier nicht benutzt. Menschen reden hier ausschließlich in der förmlichen Form „Usted“, also „Sie“, egal ob sie mit Kollegen, Freunden, Familienmitgliedern oder Haustieren reden. Zudem war ich überrascht davon, dass fast niemand, nicht einmal jüngere Personen, hier Englisch spricht. Dadurch war ich immer auf mein Spanisch angewiesen. Doch es gab auch einiges Positives für meine Kommunikation zu vermerken. Zum einen sind die Menschen hier extrem geduldig und interessiert. Dadurch waren Fehler oder wiederholtes Nachfragen überhaupt kein Problem, und mit Händen und Füßen gelingt es dann meistens irgendwie, sich zu verständigen. Zum anderen fing ich an, vor allem dank der Ähnlichkeit mancher Wörter zum Englischen, einige Dinge zu verstehen. Fortschritt war langsam, aber definitiv vorhanden.

Dezember bis Februar

In dieser Phase verbesserte sich mein Spanisch wohl am meisten. Ich konnte längere Unterhaltungen mit meiner Gastfamilie führen, mich auf der Arbeit besser verständigen und war am Ende eines 15-minütigen Gesprächs auch nicht mehr komplett ausgelaugt. An Weihnachten fiel mir diese Entwicklung erstmals stark auf. Als entferntere Verwandtschaft zu Besuch kam, gelang es mir verhältnismäßig problemlos, mich für mehrere Stunden zu verständigen, ohne komplett überfordert zu sein. Meine Grammatik war wohl immer noch sehr falsch, und es gab (und gibt bis jetzt) weiterhin zahlreiche Momente, in denen ich keine Ahnung hatte, was mein Gegenüber von mir will. Trotzdem hatte ich immer mehr Erfolgserlebnisse. Das Lernen selbst machte mir zwar keinen Spaß, aber die Fähigkeit, sich immer mehr zu verständigen, war sehr belohnend und hat mich weiter motiviert.

März bis jetzt

Seit März ist mein Fortschritt ein wenig stagniert. Fortschritte bemerkte ich nur noch in kleinen Bereichen, wie zum Beispiel durch die Verwendung von verschiedenen Zeiten oder durch das Verwenden mehr verschiedener Adjektive. Im April war ich mit Familie aus Deutschland unterwegs. Da ich in meiner Familie der Einzige bin, der Spanisch spricht, waren nun meine Kenntnisse gefragt. Dies verhältnismäßig problemlos hinzubekommen hat mein Selbstbewusstsein durchaus gestärkt und mir gezeigt, dass mein Spanisch ausreichend ist, um durchs Leben zu kommen. Dennoch habe ich nie ein „fortgeschrittenes“ Spanischniveau erreicht. Ich mache bis jetzt viele Fehler, ich denke nicht auf Spanisch und es „verselbstständigt“ sich auch nicht in Gesprächen. Mit meinem aktuellen Prozess fühlt es sich so an, als ob ich noch sehr lange hierbleiben müsste, damit ich mich im Spanischen komplett sicher fühle.

Fazit

In einem ordinären Schultest wäre mein Spanisch wohl nach wie vor eine Katastrophe. Ich habe keine Ahnung von Rechtschreibung und das lateinamerikanische Spanisch mit eigenen Worten und Grammatikregeln ist dem Schulspanisch auch sehr unähnlich. Trotzdem halte ich vor Ort leben und lernen für die beste Möglichkeit, eine Sprache zu lernen. Ich habe hier das Privileg, für lange Zeit am Stück Spanisch sprechen zu können, und der Vergleich zum August 2023 ist wie Nacht und Tag. Vor meinem Jahr habe ich von einigen Menschen gehört, dass ich in die Sprache sehr schnell „reinkommen werde“, oder dass es irgendwann „klick“ macht, und ich auf einmal alles verstehe. Nichts dergleichen ist bei mir passiert. Das Lernen war ein schwerer, langsamer und holpriger Prozess, der immer noch andauert. Doch ich nehme für mich mit, dass obwohl Lernen und Üben im Voraus natürlich sinnvoll sind, ich in der Lage bin, eine Sprache mehr oder weniger von Grund auf zu lernen, was mich durchaus stolz macht, auch wenn ich mir einen Großteil dieser Sorgen durch Zuhören im Unterricht hätte ersparen können.