Ich muss ehrlich gestehen, gewusst habe ich das vor Beginn meines Freiwilligendienstes auch nicht. In Deutschland bin ich vorher nie mit dieser „Seite“ des Sozialsystems in Kontakt gekommen und so habe ich das alles auf mich zu kommen lassen.
Von den Menschen vor Ort hörte ich vor Arbeitsbeginn Kommentare wie „Wenn ich dort aushelfe komme ich manchmal weinend nach Hause“ oder „Du darfst auf keinen Fall eine enge Beziehung zu den Kindern aufbauen“. Ich muss gestehen, dass ich an meinen ersten Arbeitstagen dementsprechend ziemliche Angst hatte – denn Arbeit mit Kindern ohne eine Beziehung aufzubauen?! Für mich undenkbar…
Mittlerweile arbeite ich schon etwas mehr als einen Monat in Hogar de Vida und jetzt stellt sich natürlich die Frage: Hatten die Einheimischen mit ihren Ankündigungen recht?Teilweise…Nach und nach bekomme ich immer mehr Details der teilweise schrecklichen Schicksale der Kinder mit. Es zerreißt einen innerlich wirklich, wenn wieder ein 10 Tage altes Baby als jüngster Bewohner des Heims hinzukommt oder wenn ein drei Jahre altes Kind sich so innig um seinen einjährigen Bruder kümmert, sodass er eigentlich die Elternrolle übernimmt. Der größte Traum eines jeden Kindes hier ist eine Familie und vor allem liebende Eltern zu haben.Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich deswegen noch keine Tränen vergossen hätte. Einerseits waren und sind es Tränen der Traurigkeit, weil einfach jedes dieser Kinder es verdient hätte mit liebenden Eltern aufzuwachsen. Weiterhin sind es aber auch Freudentränen oder Tränen der Bewunderung für die Kinder, die trotz ihrer Erlebnisse den Glauben an das Gute in Menschen und die Hoffnung auf Eltern nicht aufgeben haben. Andererseits sind es aber auch Tränen der Dankbarkeit für meine eigene glückliche und sorglose Kindheit, sowie meine liebende Familie.
Wie ich es schon vermutet hatte, wäre es für mich persönlich unmöglich dort zu arbeiten, ohne irgendeine Beziehung zu den Kindern aufzubauen. Ich war unglaublich froh als ich mitbekommen habe, dass es in meiner Arbeitsstelle selbstverständlich ist, den Kindern zu zeigen, dass es in Form der Mitarbeiter Menschen gibt, die sie lieben und für sie da sind!Allerdings wird hier auch deutlich kommuniziert, dass Hogar de Vida nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu ihrer „Herzensfamilie“ ist. Umso mehr freut man sich deshalb als Mitarbeiter, wenn ein Kind solch eine Familie gefunden hat. Es bleibt natürlich trotzdem ein Platz der Leere, wenn ein Kind dann verabschiedet wird und nicht mehr da ist…Nichtsdestotrotz ist das Lachen und der freudige Ausdruck in den Augen der Kinder jeden Tag wieder ein Zeichen dafür, dass sie sich in unserer Obhut geborgen fühlen und wir unseren Job gut machen. Und an dieser Stelle darf gesagt werden, – wenn man auch besonders auf die kleinen Momente achtet, eine Umarmung, ein Lächeln… – dass es eindeutig mehr positive als negative Momente gibt.
Die Arbeit in einem Kinderheim ist hart und teilweise auch emotional belastend.Man soll die Rolle und die Aufgaben der Mutter übernehmen, darf aber nicht die Mama ersetzen.
Trotzdem ist die Arbeit hier unglaublich erfüllend, weil man dazu beitragen darf, den Kindern eine möglichst sorglose Kindheit zu schenken. Erste Worte, erste Schritte, Geburtstage etc. sind Momente, an denen ich teilhaben darf und ich bin mir sicher, dass ich daran noch häufig zurückdenken werde.