Hola, ich bin Paul und möchte euch einen Einblick in meine Erfahrungen geben
Eine der größten Umstellungen war für mich sicherlich der Wechsel der Sprache. Zwar hatte ich in Deutschland für einige Zeit Spanischunterricht an der Schule, dennoch kam ich mit einem sehr geringen Wissensstand nach Costa Rica. Zum einen waren meine Spanischstunden bereits ein paar Jahre her, zum anderen habe ich meine Stunden mit nur wenig Motivation und noch weniger Erfolg besucht. Doch ich denke, selbst wenn ich Musterschüler mit Topnoten gewesen wäre, hätte mich dies wohl nur zu einem gewissen Punkt vorangebracht. Zum einen, da Sprache in einem Klassenzimmer meistens sehr anders ist als das, was man im echten Leben tatsächlich braucht, und vor allem, da sich das „europäische“ Spanisch, das man in der Schule lernt, enorm vom „lateinamerikanischen“ Spanisch hier vor Ort unterscheidet. So bin ich dann also im August 2023 mit extrem brüchigem Spanisch nach Costa Rica aufgebrochen in der Hoffnung, mir die Sprache hier schnell anzueignen. In meinem folgenden Blog werde ich versuchen, die Entwicklung meiner Sprachkenntnisse festzuhalten und so einen kleinen Einblick in meine Zeit hier zu geben.
Die ersten Wochen – Sprachkurs
Die ersten beiden Wochen hier im neuen Land verbrachte ich mit einigen anderen Freiwilligen in einem gemeinsamen Sprachkurs. Neben vielen schönen Landschaften und einem tollen neuen Klima erfuhr ich hier in Bezug auf meine Sprachkenntnisse vor allem eins: einen harten Realitätscheck. Meine Vokabeln schienen weiter weg denn je, und ich begann es ein bisschen zu bereuen, den Unterricht nicht doch ein bisschen aufmerksamer verfolgt zu haben. Es gab neben mir noch andere Freiwillige, die sich selbst als „Anfänger*innen“ bezeichneten, aber wie so vieles andere auch ist das wohl Definitionssache. Im Vergleich zu den meisten anderen kam ich mir mit meinem Spanisch recht abgehängt vor. Bei einer Übung, die mir hier besonders im Kopf geblieben ist, standen wir im Kreis und mussten spanische Verben aufzählen, bis uns keine mehr einfallen. Nach einer Handvoll Begriffe wurde es mit meinem begrenzten Vokabular doch schwer. Insgesamt hatte ich beim Sprachkurs eine sehr schöne Zeit, doch mir wurde auch klar gezeigt, wie sehr ich mir mit der Sprache schwertue, und dass meine Lücken nicht innerhalb von zwei Wochen aufgeholt werden können.
September bis November
Das Schwierigste in der Anfangsphase war die Kombination aus fehlendem Spanisch und dem absoluten Bedürfnis, sich mitzuteilen. Es war die Ankunft in eine neue Kultur, das Willkommen in einer neuen Familie und der Beginn einer neuen Arbeit. Es war mir wichtig, mich vorzustellen und etwas über mein Umfeld zu erfahren, was durch meine fehlenden Sprachkenntnisse eine Herausforderung war. Besonders frustrierend war dies in der Schule, wenn kleine Kinder auf mich zu gerannt kamen, um mir etwas zu erzählen oder um mich etwas zu fragen, und ich nicht antworten konnte. Auch wurde mir in dieser Phase klar, wie sehr sich das costa-ricanische Spanisch von dem Spanisch unterscheidet, das ich in der Schule gelernt habe. Neben komplett anderer Aussprache und vielen Unterschieden im Vokabular sind sogar die Pronomen völlig anders als in Spanien. „Tú“ und „Vosotros“ also „Du“ und „Ihr“ werden hier nicht benutzt. Menschen reden hier ausschließlich in der förmlichen Form „Usted“, also „Sie“, egal ob sie mit Kollegen, Freunden, Familienmitgliedern oder Haustieren reden. Zudem war ich überrascht davon, dass fast niemand, nicht einmal jüngere Personen, hier Englisch spricht. Dadurch war ich immer auf mein Spanisch angewiesen. Doch es gab auch einiges Positives für meine Kommunikation zu vermerken. Zum einen sind die Menschen hier extrem geduldig und interessiert. Dadurch waren Fehler oder wiederholtes Nachfragen überhaupt kein Problem, und mit Händen und Füßen gelingt es dann meistens irgendwie, sich zu verständigen. Zum anderen fing ich an, vor allem dank der Ähnlichkeit mancher Wörter zum Englischen, einige Dinge zu verstehen. Fortschritt war langsam, aber definitiv vorhanden.
Hola, ich bin Maren und arbeite im Projekt „Valores“ in Costa Rica
Lange habe ich darüber nachgedacht, worüber ich schreiben möchte. Irgendwie gibt es so viel und ich weiß nicht, wo ich anfangen und aufhören soll. Ein Thema, das mich in meinem Freiwilligenjahr aber 24/7 begleitet, ist das Thema „Kinder“.
Mehr Kinder in Costa Rica als in Deutschland
Seit Tag 1 habe ich den Eindruck, dass ich in Costa Rica viel mehr Kinder sehe als in Deutschland. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass man in Deutschland Kinder ja schon fast suchen muss! Die Arbeit mit ihnen, die Bedeutung hier in Costa Rica, der Umgang mit ihnen, die Erziehungsmethoden, die Entwicklung, die Zukunftsaussichten etc. Kinder und der Aspekt Familie ist hier einfach viel präsenter und hat meiner Meinung nach einen anderen Stellenwert als in Deutschland.
Arbeit mit den Kindern in Parrita
Ich arbeite hier in Parrita mit Kindern aller Altersklassen, die meisten sind jedoch zwischen 6 und 12 Jahre alt. Sie kommen zu 98 % aus dysfunktionalen Familien. Die Mama wohnt alleine oder mit einem anderen Mann, der dann die Vaterfigur darstellen soll, es gibt Berührungspunkte mit dem Thema Drogen, Alkohol und Gewalt, finanzielle Armut und emotionale Armut innerhalb der Familie. Alles führt zu psychischen Belastungen und Problemen, die die Kinder in dem Alter logischerweise noch nicht verarbeiten können.
Liebende Eltern trotz Herausforderungen
Ich muss aber erwähnen, dass trotz all dieser Probleme die meisten Kinder dennoch liebende Eltern haben, die wirklich engagiert sind und alles für das Glück ihrer Kinder geben, was sie können. Die Kinder sind sich bei uns immer der Werte bewusst, die wir versuchen ihnen zu vermitteln. Sie benehmen sich wirklich gut und sind offen für Neues, neugierig und die meisten sehr lernfreudig. Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie es mir so einfach gemacht haben, einen so engen Draht zu ihnen aufzubauen. Wenn ich an meinen Abschied denke, zieht sich alles in mir zusammen. Ich bin so viel mit ihnen zusammen und weiß so viel über ihre Familien und Herkunft. Ich würde sie so gerne auf ihrem weiteren Weg begleiten… Oh je, lieber nicht darüber nachdenken, wird ja eh hoffentlich nur ein „bis bald“, statt ein festes „Tschüss“.
Die Bereicherung der Arbeit mit Kindern
Nach all der Zeit, in der ich jetzt schon mit den Kids zusammenarbeite, kann ich bestätigen, dass die Arbeit anstrengend, aber auch unfassbar bereichernd ist. Für mich überwiegt definitiv der zweite Punkt. In Deutschland habe ich einmal mit Kindern gearbeitet, jedoch noch nie so intensiv wie jetzt. Ich hatte, bevor ich nach Costa Rica geflogen bin, wirklich Sorgen, dass ich nicht mit den Kindern klarkommen werde, sei es weil sie mich langweilig finden, mich nicht respektieren oder ich zu unkreativ sein würde. Meine Mutter sagte da immer zu mir: „Kinder sind einfach, tue ihnen nichts Böses und sie mögen dich, gib ihnen ein bisschen Spaß und Liebe und sie lieben dich.“ Jep, das kann ich jetzt bestätigen.
Kleine Gesten, große Wirkung
Allein mit einem Lächeln und einem „Das sieht aber toll aus, was du da gezeichnet hast“, kann man ein Glücksgefühl in einem Kinderherzen bewirken. Es ist wunderschön zu sehen, wenn man den Jungen zum Lächeln und Lachen und wortwörtlich zum Strahlen bringt, von dem man weiß, dass er zu Hause immer nur gedeckelt und für seinen „schwierigen Charakter“ beschimpft wird. Wenn ich eins gelernt habe, dann dass das wohl größte Bedürfnis eines jeden Kindes Liebe und emotionale Sicherheit ist.
Um diese Frage aus meiner Perspektive zu beantworten, möchte ich zunächst einmal auf den geographischen Standort, das Klima und die Möglichkeiten eingehen von Turrialba, der Stadt in Costa Rica in der ich lebe.
Es folgen meine Erfahrungen, die ich in den Bereichen des Bildungs- und Gesundheitssystems sowie über die Sicherheit in Costa Rica gemacht habe. Wie wahr sind die Stereotype, die immer über Costa Rica erzählt werden? -> „Costa Rica ist das sicherste Land Lateinamerikas.“; „Costa Rica ist teuer.“; „Costa Rica hat ein hervorragendes Bildungs- und Gesundheitssystem.“ Außerdem werde ich darauf eingehen, wie ich mich bisher in Costa Rica gefühlt habe und welche Erfahrungen ich mit Costa Ricanern in meinem Alter und generell gemacht habe.
Turrialba, eine Kleinstadt in Costa Rica mit etwa 27.000 Einwohnern, ist von Bergen und üppiger Natur umgeben. Die Nähe zur Karibik sorgt für ein tropisch feuchtes Klima mit hoher Luftfeuchtigkeit, oft schwüler Hitze und starken Sonnentagen. Meine ersten Wochen hier waren eine Herausforderung aufgrund der intensiven Hitze. Die Regenzeit von Mai bis November bringt Erleichterung, aber auch heftige Niederschläge, wie im Oktober 2021, als Überschwemmungen erhebliche Schäden verursachten.
Trotz ihrer Größe bietet Turrialba alles, was ich brauche. Das Zentrum beherbergt zahlreiche Restaurants, Cafés, Supermärkte, Sportmöglichkeiten und vieles mehr. Besonders die Sportangebote sind vielfältig, von Schwimmbädern über Fitnessstudios bis hin zu Yogakursen.
Man würde das in einem so grünen Land wie Costa Rica nie erwarten, aber gerade hier wurde mir die Bedeutung und der Wert von Strom und Wasser erst so richtig bewusst.
In Deutschland musste ich nur den Wasserhahn aufdrehen, um zu jeder Tages- und Nachtzeit so viel Wasser wie ich möchte, in allen Temperaturstufen, zur Verfügung zu haben. Außerdem musste ich mir dank durchgängig verfügbarer Elektrizität nie Sorgen machen, wann ich mein Handy aufladen kann oder ob es Licht und WLAN gibt.
Erst dadurch, dass das plötzlich keine Selbstverständlichkeit mehr ist, merke ich, was für einen Luxus ich vorher eigentlich gewohnt war. Generell ist es in Costa Rica eher unüblich, in der Dusche warmes Wasser zu haben, da es in den meisten Gegenden das ganze Jahr über sehr warm ist und eine heiße Dusche nicht notwendig und unnötig teuer ist. Viele Familien können sich das schlichtweg nicht leisten.
In letzter Zeit gab es zum Beispiel in Turrialba zusätzlich ein massives Problem mit Trinkwasserverunreinigung, weil die Wasserinfrastruktur jahrelang nicht oder nur unzureichend gewartet wurde. Aus diesem Grund und wegen der Trockenheit wird in dem Viertel, in dem ich lebe, jeden Tag über Stunden hinweg das Wasser abgestellt oder der Wasserdruck auf ein leises Tröpfeln aus dem am tiefsten gelegenen Wasserhahn des Hauses minimiert.
Das Abraham-Projekt ist ein evangelisches Projekt, das aus mehreren Einrichtungen besteht.
Ein Teil ist das Bethany-Projekt, welches sich um die dort wohnenden alleinerziehenden Mütter kümmert. Zudem gibt es einen medizinischen Bereich, der mit Zahnarztstühlen und sonstigen medizinischen Geräten ausgestattet ist. Außerdem werden Gottesdienste und andere Veranstaltungen in einem gemeinnützigen Saal abgehalten, der auch als Sporthalle genutzt wird. Der größte Teil des Projekts besteht aus der Kindertagesstätte; dies ist der Bereich, in dem wir arbeiten.
Unsere Arbeit ist sehr vielfältig. Malin arbeitet größtenteils in den Kindergruppen und verbringt dort ihre Zeit mit Basteln und sonstigen Tätigkeiten wie Kinder füttern, Schnürsenkel binden oder die Zähne der Kinder putzen. Es gibt ungefähr 30 Kindergruppen mit insgesamt über 300 Kindern im Alter von 0 bis 12 Jahren. Malin wechselt täglich die Gruppen und kümmert sich überwiegend um die Zwei- bis Sechsjährigen. Lennart kümmert sich um den Sportunterricht des Projekts und arbeitet hier mit fast allen Altersgruppen. Die Kinder lieben es, Parcours zu machen und gegeneinander anzutreten. Gelegentlich kommen auch Freiwillige von der Universität Costa Rica vorbei, um beim Sportunterricht zu helfen und ihn mitzugestalten.
Selbstverständlich gibt es im Projekt noch weitere Aufgaben für uns. Lennart arbeitet oft im Garten und hilft dem Gärtner beispielsweise beim Rasenmähen, Bewässern der Pflanzen oder beim Fegen der Wege. Alle von uns helfen wöchentlich beim Putzen des Projekts und bei anderen spontanen Arbeiten wie dem Tragen von Tischen oder Stühlen.
Leider bleibt auch das Projekt von finanziellen Kürzungen nicht verschont. Die Gelder für soziale Projekte wie das Abraham-Projekt wurden vor kurzem gekürzt, woraufhin einige Mitarbeiterinnen entlassen wurden und die Essensausgabe reduziert wurde. Umso wichtiger ist unsere ehrenamtliche Arbeit, da wir immer spontan einspringen können und nicht auf eine Entlohnung angewiesen sind.
Nach über 8 Monaten in Costa Rica, würde ich sagen, bin ich endlich wirklich angekommen.
Ich habe eine feste, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln vereinbare Sportroutine gefunden, der Busfahrer kennt meinen Namen, auf der Arbeit sind wir fester Bestandteil des Teams, und ich kann inzwischen ohne Probleme Tortillas backen und Pinto kochen.
Meine Wochenroutine läuft gut, und ich mag meine Arbeit, vor allem mit den Kindern und den Senior*innen. Und bin ich mal ein paar Tage weg, merke ich, dass ich mich trotzdem freue, wieder meine Gastfamilie (& im Besonderen die besten Hunde der Welt) zu sehen – und sie mich.
Doch trotzdem spüre ich Sehnsucht. Sehnsucht nach Dingen, die ich in Deutschland hatte und mit deren Fehlen man sich zeitweise abfindet, die aber vor allem dauerhaft einen großen Unterschied machen. Ich sehne mich nach bestimmten Lebensmitteln, aber vor allem nach der Einfachheit, schnell zu einem Supermarkt zu gelangen. Ich sehne mich nach einem Fahrtweg, bei dem ich zu meinem Sport anstatt 1,5 Stunden nur 10 Minuten brauche und bei dem ich mich ungebunden an irgendwelche Fahrzeiten auf mein Fahrrad schwingen kann.
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Ich sehne mich danach, mich nachmittags spontan mit Freunden im Park oder im Café treffen zu können – beides gibt es bei mir im Dorf nicht, sondern erfordert immer Planungsaufwand aufgrund der schlechten Busfahrzeiten. Doch es ist nicht nur Sehnsucht nach Dingen, die bereits vorhanden waren, beziehungsweise sind, sondern auch danach, weitere Schritte zu gehen. Das heißt für mich, endlich zu studieren, in die erste eigene Wohnung zu ziehen und neue Leute kennenzulernen, die dieselben Interessen teilen.
Unsere Arbeit umfasst die Zusammenarbeit mit der Seniorengruppe „Abueliticos“. Der Name setzt sich aus dem spanischen Wort für Großeltern „Abuelos“ und dem umgangssprachlichen Begriff für Costa-Ricaner*innen „Ticos“ zusammen. Jeden Dienstag um 13 Uhr treffen sich 30 bis 50 Senioren in einem ehemaligen Schulgebäude für etwa zweieinhalb Stunden.
Um 11:30 Uhr treffen sich alle freiwilligen Helfer*innen, um den Nachmittag vorzubereiten. Das bedeutet, Stühle und Tische aufbauen, den Boden wischen, Geschirr vorbereiten und einen Lautsprecher mit einem Mikrofon verbinden. Auch die Vorbereitung für individuelle Aktivitäten gehört dazu, die von Woche zu Woche variieren können. Generell beschäftigen wir uns bei dieser Vorbereitung viel mit Falten, Basteln, Kleben oder Malen.
Bis 13 Uhr treffen die Senior*innen nach und nach ein, um an unseren Aktivitäten teilzunehmen. Die Begrüßung ist meistens sehr herzlich und einer der Gründe, warum ich mich immer auf die Dienstage freue. Fast jeder „Abuelitico“ strahlt eine solche Freundlichkeit und Herzlichkeit aus, dass ich mich hier von Anfang an aufgenommen und wertgeschätzt fühlte. Mehrfach wurde ich zum Kaffee eingeladen, und seit Februar wird mir fast wöchentlich gesagt, wie schwer ihnen der Abschied im August fallen wird. Diese Momente zeigen mir die Bedeutung des kulturellen Austauschs.
Der Nachmittag beginnt meistens mit einem kurzen Gebet, das eine freiwillige Person vorträgt. Danach singen alle gemeinsam „La canción de mi vida“, ein Lied, das als inoffizielle Hymne der Abueliticos gilt. Anschließend folgen kurze Bewegungs- und Atemübungen, die wir vorbereiten. Meistens geht es darum, einige Gelenke zu bewegen und kontrolliert zu atmen. Anfangs fiel mir das aufgrund meiner begrenzten Sprachkenntnisse schwer, aber inzwischen habe ich mich gut an die Sprache gewöhnt und kann den Ablauf ohne Probleme durchführen. Diese Übungen dauern etwa 3 bis 5 Minuten.
Hello, ich bin Hannah und werde dich ein bisschen in meinen Alltag als weltwärts-Freiwillige mitnehmen:
Das plötzliche Ende von Maltiox
Im Dezember traf uns eine unerwartete Nachricht wie ein Schlag: Das Projekt, in dem wir arbeiteten, Maltiox, würde schließen und seine Kooperation mit Visioneers und weltwärts beenden. Die Gründe dafür sind für uns bis heute leider nicht wirklich nachvollziehbar. Diese Entscheidung bedeutete, dass wir die folgenden zwei Monate weder mit Kindern noch mit den Senior*innen arbeiten konnten, sondern stattdessen wochenlang Bücher im Kulturhaus Rosarios zusammenfassen mussten – eine ehrlich gesagt ziemlich langweilige und unbefriedigende Aufgabe.
Zusätzlich folgte kaum bis schlechte Kommunikation mit unseren Ex-Chefs, was zu viel Verwirrung und von meiner Seite aus zu erheblichem Frust und Unsicherheit führte. In der Vergangenheit wechselten Freiwillige bei einer Projektschließung meist in ein anderes, nahegelegenes Projekt, was jedoch oft bedeutete, den Ort und damit auch die Gastfamilie wechseln zu müssen. Da meine Gastfamilie und ich jedoch sehr eng miteinander geworden sind und ich die Leute im Dorf und auf der Arbeit ebenfalls schon lieb gewonnen hatte, wollte ich das auf keinen Fall.
Eine neue Lösung
Nach mehreren Gesprächen mit Andrés, unserem Koordinator hier in Costa Rica, sowie unseren bisherigen und möglichen neuen Arbeitsstellen, hat sich letztendlich die für uns beste Lösung ergeben: Wir konnten ab jetzt wieder, direkt von Visioneers aus, zwei Tage die Woche in der Schule arbeiten. Wie vorher auch, machen wir „Pausas activas“ (kleine Unterbrechungen des Unterrichts, um mit Atem- und Dehnübungen die Konzentrationsfähigkeit der Kinder zu fördern) und planen Gruppenarbeiten zu kultur-, umwelt- und tierbezogenen Themen wie zum Beispiel zum „Tag des Wassers“ oder zum „Tag des Pinguins“.
Zusätzlich haben wir mit der sechsten Klasse Pflanzen gepflanzt, den Hof des Kindergartens mit Blumen bemalt, wochenlang mit der zweiten Klasse für eine Choraufführung von „Angeles de Dios“ geübt, in den Kindergartengruppen unterstützt und uns um die Recyclingstation gekümmert.
Unterstützung der Seniorengruppe „Abueliticos“ Einmal die Woche helfen wir außerdem in der dörflichen Seniorengruppe „Abueliticos“ mit. Das bedeutet, beim Aufbau der Stühle und Tische zu helfen, den Kaffee und die „merienda“ (das geht von süßem Gebäck und Kuchen bis hin zu herzhaftem Reis mit Hühnchen) auszuteilen und die tägliche Aktivität mitzugestalten.
Online-Deutschkurs Montags geben wir einen Online-Deutschkurs per Microsoft Teams für alle Interessierten, vor allem für zukünftige Freiwillige, die mit Visioneers nach Deutschland ausreisen werden. Dabei haben wir festgestellt, dass Deutsch als Sprache manchmal ziemlich unlogisch ist und dass es, obwohl wir Muttersprachler sind, manchmal einiges dauert, sich in die einzelnen Grammatikregeln wieder hineinzufuchsen.
Neue Aufgaben in Naranjo Das Kulturhaus hat zusammen mit Maltiox ebenfalls geschlossen. Doch anstatt sich dort mit Büchern zu beschäftigen, haben wir einen neuen Arbeitsplatz in der Bibliothek im nächsten Städtchen gefunden. Mittwochs tuckern wir jetzt also mit dem Bus nach Naranjo, um den Tag über bei der Kleinkindergruppe „Soy Bebé“ sowie dessen Vorbereitung mitzuhelfen und nachmittags ebenfalls vor Ort einen Deutschkurs zu geben.
Eine neue Routine Langsam, aber stetig hat sich diese neue Routine gut bei mir eingespielt, und ich glaube, dass diese Form der Arbeit letztendlich sogar besser ist als vorher mit Maltiox: Es ist abwechslungsreicher durch die verschiedenen Bereiche, man trifft mehr Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Altersklassen, und wir können deutlich selbstständiger sein. Außerdem können wir mit Stolz sagen, dass beide unserer Deutschkursgruppen bereits Hörverstehen gut gemeistert haben, wir im Bingo-Zählen erstaunlich beliebt geworden sind („¡culito el cinco!“ ist die Lieblingszahl der Abueliticos) und sich die Kinder der Schule immer über Aktivitäten mit uns freuen.
Nun sind schon neun Monate vergangen und das Ende meines Freiwilligendienstes ist zum Greifen nah.
Die ersten Bewerbungen für die Uni habe ich schon verschickt und es kommt mir surreal vor, dass ich schon bald zurückkehre, da die Zeit so schnell vergangen ist. Obwohl ich Costa Rica vermissen werde, kommt langsam auch die Vorfreude auf, mit meinem Studium ein neues Kapitel in meinem Leben zu beginnen und meine Familie und Freunde wieder in die Arme schließen zu können. Worauf ich mich natürlich auch freue, ist, endlich wieder gutes deutsches Brot essen und die großzügige Auswahl der deutschen Supermärkte genießen zu können. Obwohl ich als Vegetarierin in Costa Rica nie wirkliche Probleme hatte, hätte ich mir schon dann und wann ein tierisches Ersatzprodukt gewünscht.
Ungefähr seit der Hälfte meines Auslandsjahres haben sich einige Dinge geändert, die mein FSJ sehr beeinflusst haben.
Zum einen haben wir Freiwilligen ein eigenes Projekt in der Schule bekommen. Zum anderen hat sich meine Mitfreiwillige dazu entschieden, das Projekt zu wechseln.
Die erste Veränderung betraf den Englischunterricht bzw. die Ferienbetreuung. Seit Mitte Februar habe ich zunächst drei Kinder jeweils für zwei Stunden betreut. Ein paar Wochen später wurde ein Kind aus meiner kleinen Klasse mit seiner Schwester adoptiert. Zeitgleich kamen vier neue Kinder ins Heim, von denen ich zwei betreue. Man merkt, es ist immer etwas los, und man muss sich schnell auf spontane Änderungen einstellen und flexibel bleiben. In den ersten Monaten meiner Arbeit sind nicht viele Kinder gekommen oder gegangen, deshalb war mir das nicht so bewusst und hat mich überrascht, als mir eines Nachmittags erzählt wurde, dass ein Kind am nächsten Tag zu seiner Familie zurückgeht, und an einem anderen Nachmittag (für mich sehr plötzlich) ein Kind das Heim gewechselt hat. Die Lehrerinnen und erst recht ich als Freiwillige bekommen solche Dinge erst relativ spät mit. Auch andere Dinge, wie z.B. die Vorgeschichten der Kinder, werden uns entweder nicht oder meiner Meinung nach sehr spät gesagt.
Das hat natürlich gute Gründe, erschwert aber auch in manchen Bereichen die Arbeit in der Schule, und man muss noch spontaner und flexibler sein. Besonders bei der Adoption des einen Kindes, das ich seit Anfang meines Auslandsjahres betreute, habe ich die Veränderung besonders gespürt. Ich habe mich natürlich total für ihn und seine Schwester gefreut. Der größte Traum eines jeden Kindes ist es, in einer liebevollen Familie leben zu können. Und das habe ich mir sehr für die beiden gewünscht: dass die Familie sie liebevoll aufnimmt, sie fördert und unterstützt, ihr manchmal schwieriges Verhalten aushält und sich bei Bedarf professionelle Hilfe holt, damit sie nach ihrem schweren Start ins Leben eine glückliche Kindheit führen können. Trotzdem schwingt dabei auch die Sorge mit, wie es ihnen gehen wird und ob die Familie weiß, worauf sie sich einlässt. Das mag hart klingen, aber die Lehrerinnen haben schon einige Male miterlebt, dass Kinder nach der Adoption doch wieder zurückgegeben wurden. Und das hinterlässt natürlich Spuren bei den Kleinen.
Bei solchen Veränderungen im Kinderheim bin ich jedes Mal wieder sehr dankbar für meine Kolleginnen. Wir tauschen uns darüber aus, können offen miteinander reden, uns gegenseitig unterstützen und beten auch für die Kinder und ihren weiteren Lebensweg.