Meine Abenteuer in Peru
Inzwischen bin ich schon ein halbes Jahr hier und trotzdem erlebe ich immer noch jeden Tag etwas Neues.
Das letzte halbe Jahr hatte einige Höhen und nur wenige Tiefen.
Unter die Höhen fallen die vielen Abenteuer, die ich auf meiner Arbeit erlebt habe. Dazu gehört das Freilassen einer vier Meter langen Boa-Schlange in das projekteigene Waldschutzgebiet oder auch jeder einzelne meiner Trips, der mich mitten in den Primärregenwald geführt hat, der so dicht bewachsen ist, dass es nicht einmal einen richtigen Weg gibt, den man entlanglaufen könnte, weshalb man praktisch dazu gezwungen ist, mit einer Machete bewaffnet oder in meinem Fall, mit einem Gehstock, zu wandern.
Aber auch außerhalb meiner Arbeit staune ich immer wieder darüber, wie viel ich hier in so kurzer Zeit erleben darf.
So gehört beispielsweise ein siebentägiger Wandermarsch über die bis zu 4.800 Meter hohen Berge Perus dazu, bei dem wir in alten Inkaruinen gezeltet haben sowie mein erster Marathon, den ich auf einer befahrenen Straße in der sengenden Hitze Pichanakis lief.
Sieben Tage wandern- Das Machu Picchu Abenteuer
Der oben erwähnte Marsch war nicht von Anfang an als ein solcher geplant. Tatsächlich hatten Paul (ein anderer Freiwilliger) und ich vor, zur Choquequirao zu wandern, einer relativ wenig besuchten Ruine, zu der man ohne viel Gepäck ungefähr zwei Tage zu Fuß braucht.
Nun hatten wir aber viel Gepäck dabei und zusätzlich wenig Ausdauer. Im Endeffekt bedeutete das für uns, dass wir am Ende des zweiten Tages vollkommen kaputt waren und dabei nicht einmal den schweren Teil des Weges hinter uns hatten bringen können.
Wir überlegten bereits, ob wir den Rückweg mit einem Esel antreten sollten, als uns Emanuele begegnete. Lachend erzählte er uns von seinem Plan, anstelle der zwei Tage zur Choquequirao, lieber sieben Tage nach Machu Picchu zu wandern. In unserer damaligen Lage, völlig erschöpft und in Gedanken schon auf einem Esel zurückreitend, war es für uns eigentlich undenkbar, uns ihm anzuschließen. Eigentlich. Denn in den Tagen darauf fanden wir uns auf dem Weg nach Machu Picchu wieder, was vermutlich Emanueles Charme zu verdanken war.
Mit blutig gestochenen Beinen liefen wir über Bergspitzen und an Ruinen vorbei, bis ich mir im nächsten Dorf (Yanama) eine Lebensmittelvergiftung zuzog.
Nachdem ich mich davon erholt hatte, fuhren wir aufgrund von Zeitmangel per Lastwagen zum nächstliegenden Campingplatz (Lucmabamba) weiter, von wo aus wir nur noch etwa 24 km bis zum Ziel laufen mussten.
Letztendlich haben wir es geschafft, nach sieben Tagen trocken und sauber anzukommen. Zugegebenermaßen war es zwischendurch eine der unangenehmsten Wanderstrecken meines Lebens, was größtenteils der Mischung aus schlechtem Essen und einem erschöpften, kranken Körper geschuldet war, doch gleichzeitig warte ich bereits auf das nächste Abenteuer, dieses Mal aber mit stärkerem Magen.
Wir sind von der kleinen Stadt Villa Rica, im Zentralregenwald Perus, in die Hauptstadt gefahren und befinden uns schließlich in Lima. Am nächsten Tag geht unser Rückholflug nach Deutschland. (Die Geschichte, wie es dazu gekommen ist, kannst du hier auf meinem Blog nachlesen).
Wir schauen nochmal in der Uber-App nach, um sicherzugehen, dass wir morgen auch wirklich eine Fahrmöglichkeit von unserer Unterkunft zum Treffpunkt der deutschen Botschaft haben. In der App stand: „Dieses Angebot ist an deinem Standort momentan nicht verfügbar.“. Wir versuchen es mit anderen Taxiapps, doch immer wieder das gleiche. In der Email der deutschen Botschaft stand zwar, dass manche Taxiunternehmen und einige unabhängige Taxis noch arbeiten, aber wir wollten uns nicht auf die Straßentaxis verlassen. Also riefen wir unseren Kollegen Martín an, um ihn zu fragen, ob er uns abholen kann. Selbstverständlich, meinte er.
Treffen mit der deutschen Botschaft
Am Montagmorgen stehen wir früh auf, frühstücken den Rest, den wir noch haben: Joghurt, Müsli mit ein bisschen Wasser gestreckt. Dann machen wir uns und unsere Sachen fertig und gehen nach unten. Wir stehen kaum 3 Minuten am Straßenrand, da kommt Martín auch schon mit dem Auto angefahren. Zusammen mit Martín fahren wir die 20 Minuten zum Treffpunkt. Meine letzte Fahrt durch Lima. Die Straßen sind ruhig, aber es sind schon manche Menschen draußen. Autos sind nur wenige unterwegs. Wir werden ein paar Mal vom Militär kontrolliert, die Sicherheitskräfte winken uns aber schnell durch, sobald sie unseren Passierschein der deutschen Botschaft sichten.
Wir kommen am Treffpunkt an, schleppen unsere Sachen Richtung Eingang und stellen fest, dass die Menschen in einer langen Schlange davor anstehen. Wir gehen also zum Ende der Schlange. Dafür gehen wir bis zum Ende der Straße, biegen rechts ab und laufen nochmal einen halben Block. So lange ist die Schlange – und das meist ohne den Sicherheitsabstand von eineinhalb Metern. Ca. 300 Personen werden heute bei dem Rückholflug mitfliegen.
Martín wartet mit uns. Ich glaube, er war ein bisschen begeistert, das alles mitzuerleben. Er sagt halb im Spaß, dass er schon immer mal mit so vielen Deutschen auf einen Haufen zusammen sein wollte. Später, als wir dann schon bis um die Ecke vorgerückt sind, kommentiert er: „Die Deutschen sind ganz schön ruhig. Ich höre kaum irgendjemanden lachen.“. Das stimmt wirklich. Und ich glaube, es liegt nicht nur an der Situation, wir sind einfach generell etwas ernster als die Peruaner.
Nach und nach kommen mehr und mehr Deutsche an. Es sind aber auch einige Peruaner dabei, die einen dauerhaften Wohnsitz in Deutschland haben. Vor uns ist z.B. eine Peruanerin in den 50ern oder 60ern mit einem großen getigerten Koffer. Sie erklärt uns auf Spanisch, dass sie ihre Eltern hier besuchen wollte und erst seit zwei Wochen hier ist. Jetzt nutzt sie die Gelegenheit, um wieder zurück nach Deutschland zu fliegen – denn wer weiß schon, wann es normal wieder möglich ist? Sie muss ja schließlich auch zurück zu ihrer Arbeit und Wohnung..
Als wir schließlich am Eingang sind, verabschieden wir uns nun endgültig von Martín. Wir müssen die Hände waschen und den Pass vorzeigen. Bei den Mitarbeitern der deutschen Botschaft herrscht soweit recht gute Laune. Einer fragt mich, warum ich denn so ein Gesicht ziehe, ob ich nicht ausreisen will. Ich könnte auch gerne hier bleiben. Er zeigt auf die andere Seite des Tores, wo einige Leute auf dem Gehweg am Boden sitzen. „Sie können gerne einem von denen ihren Sitzplatz überlassen, die haben nämlich noch keinen.“ Ich verneine die Frage und sage ihm, dass ich gerne geblieben wäre. Er legt den Kopf schief und schaut mich abschätzend an. „Lassen Sie mich raten, Sie sind weltwärts-Freiwillige?“ Ich nicke. „Tut mir Leid, dann müssen wir Sie wohl mitnehmen.“, meinte er mit einem Grinsen. Ich grinse halb zurück: „Ich weiß.“
Drinnen treffe ich auf unsere Ansprechpartnerin der deutschen Botschaft. Wir unterhalten uns ein bisschen und sie erzählt mir, dass in unserem Flieger wohl mindestens 30 weltwärts-Freiwillige nach Deutschland zurückkehren werden. Ich frage sie, ob sie denn auch nach Deutschland zurückkehrt und sie verneint die Frage. Wir wünschen uns gegenseitig alles Gute und verabschieden uns.
Nach ein bisschen Warten steigen wir in den Bus ein. Es dauert ein bisschen, bis sich dieser bewegt. Wir passieren das Tor und sehen Martín, der immer noch draußen wartet. Er winkt und schießt Fotos.
Busfahrt zum Flughafen
Schließlich fahren wir los. Nach einigen hundert Metern sehe ich, wie neben unserem Bus ein graues Auto fährt, der Fahrer hupt. Ich schaue genauer hin: es ist wieder Martín. Er ist doch tatsächlich dem Bus ein Stück hinterhergefahren..
Überall wo das Militär patrouilliert, werden wir ohne jegliche Kontrolle durchgelassen. Wahrscheinlich wurden die Sicherheitskräfte schon im Vorfeld über die deutsche Rückholaktion und die Busse, die zum Flughafen fahren werden, informiert. Langsam verlassen wir die Wohngebiete und biegen ab auf die mehrspurige Straße, die hinunter zum „Circuito de Playas“, der Straße am Meer führt. Normalerweise liebe ich es, an dieser Straße mit dem Meerblick entlangzufahren. Doch heute ist es einfach nur seltsam und traurig. Mein letztes Mal für unbestimmte Zeit. Außerdem ist die Straße außer uns, den zwei oder drei Bussen, die mit Polizeieskorte – Polizeimotorräder vorne, hinten und seitlich – unterwegs sind, komplett leer. Wir verlassen die Straße, fahren durch das Viertel San Miguel und von dort schließlich nach Callao.
Ich schaue aus dem Fenster. Lange Schlangen von Männern (heute ist Montag, Männertag), die alle mit Abstand voneinander vor Banken, Supermärkten oder Apotheken anstehen. Manche bemerken uns gar nicht, schauen auf den Boden oder auf ihr Handy, andere wiederum schauen zu uns hoch. Manchmal trifft sich unser Blick und bleibt kurz aneinander hängen. Wegen der Mund-Nasen-Masken, die wir tragen, sehen wir das Gesicht des anderen nicht, nur die Augen. Was sie wohl denken, wenn sie die Busse voller „Gringos“ in Polizeibegleitung Richtung Flughafen fahren sehen? Dass die Gringos gerne Perú besuchen, um dort zu reisen und die Landschaft zu genießen, aber dann doch lieber in ihr sicheres europäisches Land abhauen, wenns brenzlig wird?
Eigentlich habe ich mich in Perú mittlerweile so eingewöhnt, ja mich schon so weit angepasst oder auch assimiliert, dass ich mich manchmal mehr mit den Peruanern verbunden fühle, als mit meinen Landsleuten. Als ich so die Peruaner draußen anschaue, fühle ich mich ein bisschen wie ein Verräter…
Wir kommen schließlich am Militärflughafen an. Unser Flug geht von dort aus, da der normale Passagierflughafen in Lima ja momentan nicht mehr in Betrieb ist. Wir fahren über das Rollfeld zu einem Platz, an dem provisorisch Zelte und in diesen Plastikstühle aufgestellt sind. Ein Bundeswehrsoldat kommt in den Bus und gibt uns Anweisungen. Er klingt wirklich wie einer, der es gewöhnt ist, Soldaten Anweisungen zu geben: „Sie steigen jetzt da aus, sammeln ihr Gepäck ein und setzten sich dann jeder auf einen Plastikstuhl. JEDER auf EINEN Plastikstuhl. Nicht zwei auf einen.. Verstanden?! Das war wohl vorhin nicht ganz klar..“ Die Leute im Bus schmunzeln kurz. „Noch Fragen?“
Wir begeben uns in die Zelte, wo uns Soldaten des peruanischen Militärs auffordern, unser Gepäck in die Mitte zu stellen. Es werden nochmal die Pässe kontrolliert, unser Gepäck bekommt den Gepäckaufkleber, Drogenhunde gehen durch. Dann wird unser Gepäck mitgenommen und wir werden aufgefordert, wieder in den Bus zu steigen. Dieser fährt dann 100 Meter und bleibt für ein paar Minuten stehen. Dann fährt er wieder aufs Rollfeld und hält in der Nähe eines Lufthansaflugzeugs, unser Flugzeug.
Wir müssen nochmal ca. eine halbe Stunde warten, bis wir einsteigen können. Drinnen warten wir nochmal ungefähr die selbe Zeit. In der Zeit telefoniere ich nochmal mit Eli und der Abel-Familie, der Familie, meiner Kollegen Carlos, Cely und Lizz. Sie wünschen mir einen guten Flug und sagen, dass sie mich jetzt schon vermissen.
Rückflug von Peru nach Deutschland
Ich sitze in der Mitte, in unserer Viererreihe bin ich die einzige Deutsche, neben mir sitzen lauter Peruaner. Irgendwie tröstet mich das ein bisschen. Schließlich geht es los: der Pilot macht eine Ansage, entschuldigt sich dafür, dass sie heute nicht den gleichen Service wie sonst anbieten können, es gibt kein warmes Essen, da die Lebensmittel aufgrund von Corona sowohl in Perú als auch in Deutschland nicht geliefert werden konnten. Dafür hat jeder einen Karton auf dem Sitz mit Nudelsalat, Croissant und einer Menge deutscher Snacks und Süßigkeiten. Und das Multimediaprogramm funktioniert auch.
Außerdem erwähnt er, dass die gesamte Crew uns trotz der Situation gerne nach Hause fliegt – und dass die Welt zuhause ein bisschen anders aussehen wird, wie als wir sie verlassen haben.
Seit jetzt fast zwei Wochen bin auch ich wieder in Deutschland und arbeite nun von hier aus weiter für Atiycuy, meine Organisation in Peru. Auch meine Pläne wurden durch Corona ziemlich „über den Haufen geworfen“, doch wer hätte zu Beginn dieses Jahres schon damit gerechnet, wie schnell die Welt, wie wir sie kennen, aus den Fugen geraten kann?
Peru in der Krise
Covid-19, ein Virus, der wohl gerade mehr als alles andere all unsere Pläne durchkreuzt, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, mit noch immer steigenden Fallzahlen. So auch in Peru. Bereits nach den ersten Fällen in Lima hielt der peruanische Präsident eine Ansprache an das Volk, rief innerhalb kürzester Zeit den nationalen Notstand aus, schloss die Grenzen und verhängte eine landesweite Quarantäne. Seit Mitte März steht der Alltag still. Lediglich für die nötigsten Einkäufe darf zwischen 7 und 12 Uhr das Haus verlassen werden. Wer nach 6 Uhr abends das Haus verlässt, läuft Gefahr vom Militär verhaftet zu werden. Seit wenigen Wochen dürfen Peruaner und Peruanerinnen nur noch nach Wochentagen getrennt auf die Straße, es herrscht Mundschutzpflicht und wer von einer Stadt in die Nächste fahren will, kommt ohne einen Passierschein und gelegentliche komplett-Desinfektion des Fahrzeugs nicht weit. Auf den ersten Blick wirken diese Maßnahmen extrem, doch Peru steht mit momentan fast 13.500 bestätigten Fällen (RKI, Stand 18.04.2020) noch am Anfang. Diese strikten Maßnahmen gelten nicht ohne Grund, denn ein Virus, das bereits europäische Gesundheitssysteme an seine Grenzen bringt, ist für die Gesundheitsversorgung Perus, vor allem in ländlichen Regionen schwer zu tragen.
Was ich damit meine ist nicht, dass das europäische Gesundheitssystem perfekt ist, auch hier gibt es Schwierigkeiten, Schwachstellen, die uns diese Pandemie gerade aufzeigt. Auch hier werden Fachkräfte nicht angemessen bezahlt, ja zum Teil nicht einmal ausreichend geschützt, doch zumindest hat so gut wie jeder hier die Möglichkeit eine ärztliche Behandlung zu erhalten. In vielen Teilen der Welt ist diese Möglichkeit nicht gegeben. In Villa Rica kämpfen ein paar wenige Ärzte mit kaum ausreichenden Mitteln gegen die Pandemie. Die mehrere Stunden vom Krankenhaus entfernt liegenden indigenen Gemeinschaften haben praktisch keinen Zugang zu einer zeitnahen ärztlichen Versorgung. Was passiert, wenn sich Krankheitsfälle in dieser Region häufen? Gerade in den Provinzen sind Länder wie Peru nicht auf diese Fälle vorbereitet. Der Staat kümmert sich kaum um die so weit abgelegenen Dorfgemeinschaften, die ohne engagierte Ärzte, wie einer der Ärzte in Villa Rica, so gut wie auf sich allein gestellt wären.
Pandemie verschärft die Armut in den Dörfern
Doch was mindestens genauso kritisch ist, wie das Virus selbst, sind die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der, nun bereits über einen Monat andauernden, nationalen Quarantäne.Ich erinnere mich noch, wie bereits am ersten Tag der Quarantäne ein Bekannter mit Tränen in den Augen fragte, wie er denn jetzt Geld verdienen solle, wo es doch offiziell verboten ist zur Arbeit zu gehen. Sowohl in Villa Rica, in den Dörfern um das Naturschutzgebiet, als auch in den indigenen Gemeinschaften leben viele Familien von den paar Soles, die sie sich als Tagelöhner auf den Kaffeefeldern verdienen. Wie sollen sie ihre Familien über Wasser halten, wenn diese Arbeit verboten wird? Bereits jetzt machen sich die Auswirkungen der Quarantäne bemerkbar. Wie lange kann die Bevölkerung noch durchhalten, ohne sich und ihre Familien in Gefahr zu bringen?
Vor zwei Wochen kam der Chef von Machca Bocaz, einer der indigenen Gemeinschaften, mit der wir erst seit kurzem zusammenarbeiten, der „Mashin Wilmer“ zu Eli. Sein Gesicht zierten tiefe Sorgenfalten, obwohl er noch ein junger Mann ist, der erst vor kurzem zum Chef gewählt wurde. Er erzählte ihr, wie schwierig die Situation in den Hochlandgemeinschaften jetzt ist: Die Flüsse sind immer noch überlaufen, durch die starken Regenfälle der letzten Monate, und es gibt keinen Fisch. Die intensiven Regenfälle verhindern die Jagd, die sie genauso wie den Fisch brauchen, um ihre Familien ernähren zu können. Doch nicht nur das, durch die Ausgangssperre kann außerdem niemand in der Vorerntezeit des Kaffees arbeiten, weshalb selbst die paar Soles, die sie auf den Kaffeefeldern verdienen, ausbleiben.
Vor ein paar Tagen habe ich mit Eli gesprochen. Ich habe sie oft gestresst erlebt, doch die Tränen in ihren Augen, als sie von den Familien sprach, die noch nicht in das Patenprogramm aufgenommen werden konnten, die sie kaum mit den Mitteln Atiycuys versorgen kann, berührten auch mich sehr, denn auch mir sind diese Familien ans Herz gewachsen. Umso wichtiger ist es, dass Atiycuy trotz allem nicht aufgibt und bereits Grundnahrungsmittel besorgt, um diese so bald wie möglich an die Familien zu verteilen. Das ANNA-Programm (das Kinderpatenprogramm) ist dafür unerlässlich, denn durch das Programm zeigen wir, dass unsere Brüder nicht allein sind, dass es eine Perspektive und Hoffnung gibt, dass wir die notwendigen Informationen, Nahrungsmittel und Hygieneprodukte bereitstellen können, damit sie in den Gemeinden und Dörfern nicht leiden. Leider gibt es vor allem in Pichanaz, Gerónimo und in den Dörfern San Juan de Miraflores, Alto Gran Playa und Pampa de Oso eine Gruppe von Familien, die nicht über den Schutzschild des Kinderpatenprogrammes verfügen, die durch die Krise mehr denn je vor tiefgreifende finanzielle, existenzielle Probleme gestellt werden.
Bevölkerung vor Ort ist auf Hilfe angewiesen
„Jetzt tun wir alles, was wir können, aber wir verfügen nicht über die notwendigen Mittel! Es ist unverzichtbar, dass auch (die restlichen Familien) in das Patenprogramm aufgenommen werden, da uns ansonsten die Hände gebunden sind“, so meine Chefin Eli in einer Email, in der sie uns um Hilfe bat. Wir wissen nicht, wie lange die Krise andauern wird, doch es ist klar, dass sie besonders die treffen wird, die schon zuvor unter den folgen Jahrzehnte langer systematischer Diskriminierung und zum Teil daraus resultierender Armut litten. Wir wissen nicht, was kommen wird, nirgendwo auf der Welt. Doch gerade jetzt dürfen wir nicht aufgeben für das Gute zu kämpfen. Für mehr Gerechtigkeit, mehr Würde, gerade jetzt müssen wir, so schwer es manchmal fällt, auch über unseren eigenen Tellerrand blicken, unsere Welt als eine Welt erkennen. Denn am Ende sind wir alle Menschen, alle gleichwertig, alle Brüder und Schwestern.
„Die Menschen müssen wissen und sehen, dass sie nicht allein sind. Sie brauchen eine Perspektive für ihr Leben, über die Pandemie hinaus. Wir wissen zwar, dass wir nicht jedem in unserer Region helfen können, aber wie die deutsche Regierung wollen wir einen Schutzschirm zumindest auf alle gefährdeten Bevölkerungsgruppen ausdehnen, mit denen wir zusammenarbeiten Sie brauchen jetzt Lebensmittel, um ihre Familien zu versorgen, sie brauchen uns! Und sie brauchen uns jetzt mehr denn je.“ – Eli über die momentane Lage in Peru
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Ankunft in einem indigenen Dorf
Ein kleines Dorf, bestehend aus einigen Holzhäusern, einem kleinen Laden und einer Schule. Als wir ankommen, ist niemand zu sehen. Kein Wunder – denn es regnet. Wir halten vor dem kleinem Laden, steigen aus und werden von zwei Männern begrüßt, einer von ihnen ist der Dorfvorsteher, Juan*. Ich bin mit Mundi, meinem Kollegen, und Richard, unserem Fahrer, unterwegs. Wir betreten den kleinen Laden und begrüßen eine ältere Frau, um die 60, die typische bunt gewebte Kleidung trägt und eine junge, schwangere Frau, die ein kleines Mädchen bei sich hat. Sie ist vielleicht 2 Jahre alt. Das kleine Mädchen trägt eine kleine Tüte mit Knabberzeug bei sich und isst immer mal wieder ein Stück daraus. Als sie mich sieht, kreischt sie kurz auf, eilt in die andere Ecke des Raumes und versteckt sich. Sie hat in ihrem Leben wahrscheinlich noch nicht sehr viele Gringos (Bez. für Menschen mit weißer Haut) gesehen. Es muss für sie schon sehr komisch, sogar etwas beängstigend sein, eine junge Frau wie mich mit heller Haut, hellbraunen Haaren und blauen Augen zu sehen.
Wir betreten das Gemeinschaftshaus, ein einfaches Holzhaus mit Wellblechdach, der Boden besteht aus einfachem Erdboden. Es riecht nach altem Holz und Erde. Vorne befindet sich eine Tafel und zwei alte Pulte aus einfachem Holz, an einem von ihnen sitzt Juan*.
Workshops zum Thema Bienenzucht
Im hinteren Teil des Gebäudes werden Holzbretter gelagert. In der Mitte des Raumes sitzen schon einige Leute aus dem Dorf auf teilweise kaputten Plastikstühlen. Heute hält Mundi hier einen Taller (Workshop) über Bienenzucht. Meine Aufgabe dabei ist, Fotos vom Taller zu machen.
Während die Leute darauf warten, dass der Taller beginnt, diskutiert eine Frau laut mit Juan*. Ich verstehe nicht so viel, höre nur immer mal wieder das Wort Gringos.
Der Taller beginnt und Mundi fängt an mit einem Vergleich der Volk Israels aus der Bibel und den Inkas. Viele der Dorfbewohner bzw. deren Vorfahren kommen aus der Gegend um Cusco, einer früheren Hochburg der Inkas. Mit dem Vergleich will Mundi zum einen einen Bezug zu ihren Wurzeln herstellen, sie zum anderen auch auf ihrer Ebene abholen, denn sie sind sehr gläubig. Nachdem Mundi so eine Verbindung zu den Menschen aufgebaut hat, fängt er mit dem eigentlichen Taller an. Er macht ihnen deutlich, was für faszinierende Tiere die Bienen sind, schließlich sind sie die einzigen Tiere, durch deren Bestäubung eine Pflanze wachsen kann. Somit sind eigentlich alle Lebewesen auf die Bienen angewiesen. Denn durch ihre Arbeit schaffen sie Leben.
Außerdem erklärt er einige Dinge über die Bienenzucht an sich und welche Möglichkeiten sich dadurch für die Menschen im Dorf erschließen. Zum Beispiel, dass nur das „Gelee Royal“ eine Königin heranwachsen lässt. Deshalb ist es wesentlich wertvoller und kann für mehr Geld verkauft werden, als normaler Bienenhonig. Wenn die Dorfgemeinschaft tatsächlich mit der Bienenzucht anfangen würde, könnte sich diese als guter Nebenverdienst für die Menschen etablieren. Und es hätte auch sehr positive Auswirkungen auf die Natur und die Pflanzen im Dorf und darum herum – unter anderem auch in der Regenwaldkonzession unserer Organisation.
Die Regenwaldkonzession von Atiycuy
Die Regenwaldkonzession ist ein 18.000 Hektar großes Stück Regenwald, welches meiner Organisation Atiycuy von der Forstbehörde zur Verwaltung übertragen wurde. Atiycuy schützt und erhält dieses Stück – das Bienenprojekt wäre somit ein Gewinn für die Dorfbewohner und die Natur.
Mundi erklärt außerdem auch, dass Atiycuy neben der Entwicklung des Dorfes auch das Wohl der Konzession wichtig ist und auch, wie wir arbeiten. Z.B. auch, dass unsere Organisation niemanden unter Vertrag nehmen und zu etwas verpflichten will. So wie ich das bisher mitbekommen habe, ist das in Perú eine Seltenheit. Es gibt hier viele Organisationen, die sich als NGO ausgeben und anscheinend den Leuten helfen wollen, dafür aber im Gegenzug aber auch etwas von den Menschen fordern, denen sie „helfen“, sei es Geld oder irgendetwas anderes.
Zudem wissen die Dorfbewohner auch, dass Atiycuy die deutsche Seite, Chance e.V., hat und das macht sie umso misstrauischer. Hier in Perú und besonders auch in unserer Region haben die Menschen keine besonders guten Erfahrungen mit „Weißen“ gemacht. Die Weißen waren es, die in ihr Land eingefallen sind und es ihnen geraubt haben, die ihnen eine andere Sprache, Religion und Kultur aufgezwungen und ihnen dabei auch ihre eigene genommen haben. Nach der Unabhängigkeit Perús hörte das nicht auf, bis heute kaufen amerikanische und europäische Unternehmen Gold, Kupfer und Früchte zum Spottpreis aus Perú – und tragen somit unter Anderem dazu bei, dass hier in unserer Region Regenwald zerstört wird.
Die Angst vor den Gringos
Als Mundi über Atiycuy erzählt, meldet sich die Frau, die am Anfang schon laut mit Juan* diskutiert hat, zu Wort. Sie erklärt selbstbewusst und mit lauter Stimme, dass sie genau wissen will, was sie mit der Zusammenarbeit mit Atiycuy eingeht und für was sie unterschreibt. Sie sagt, dass Gringos Kleinbauern wie sie früher immer dazu gedrängt haben, etwas zu unterschreiben. Letztendlich war das Papier eine Erklärung, dass diese ihre Chacra (kleine Farm) in den Besitz des Gringos übertrugen. Bei all diesen schlechten Erfahrung mit Gringos erstaunt es mich überhaupt nicht, dass die Leute in diesen Dörfern sehr misstrauisch gegenüber Weißen sind. Dazu kommt noch, dass Mythen über sog. Pishtacos kursieren. Diese stammen aus der Zeit der spanischen Invasion Südamerikas. Laut diesen Erzählungen sind Pishtacos monsterartige Menschen, meist Weiße, die Einheimische töten, um am Ende deren Körperfett zu verkaufen oder zu essen. Eine sehr krasse Vorstellung…
Manche Leute in diesen Dörfern glauben das, weil sie oftmals nicht so gut aufgeklärt sind und nicht so gute Möglichkeiten haben, sich zu bilden und ihr Wissen zu erweitern. Dazu kommt noch, dass sie weit draußen in ihren Dörfern auch keinen oder nur sehr wenigen Gringos begegnen, keine persönlichen Erfahrungen mit diesen machen und ansonsten durch Erzählungen auch weitere negativen Geschichten über Gringos hören. So erhalten sich natürlich die Mythen und Vorurteile gegenüber Weißen aufrecht.
Das erinnert mich ein wenig an die Einstellung mancher Menschen in Deutschland gegenüber Flüchtlingen. Viele haben keine gute Meinung über diese, da sie viele schlechte Geschichten über sie gehört haben. Die mögen teilweise ja stimmen, nur wird dabei vergessen, dass es in jeder Menschengruppe unterschiedliche Menschen gibt, schlechte und gute. Dass nicht alle die schlechten Dinge tun, über die man so hört. Und meistens haben die Menschen, die die schlechteste Meinung über sie haben, keine oder kaum persönliche Erfahrungen mit ihnen gemacht. So etwas ist natürlich nicht gut und deshalb ist es mir umso wichtiger, den Menschen im Dorf mit großem Respekt, sehr viel Verständnis und Vorsicht zu begegnen, da ich gut verstehen kann, dass sie mit ihren Erfahrungen gegenüber Gringos und somit auch gegenüber mir skeptisch sind. Außerdem will ich ihnen zeigen, dass ich keine schlechten Absichten habe, sondern sie zusammen mit Atiycuy begleiten will. Auch über unsere Organisation gibt es Gerüchte, die weniger extrem und schlimm sind, als die Pishtaco Mythen, aber trotzdem unsere Zusammenarbeit mit dem Dorf erschweren, da sie natürlich Misstrauen schüren.
Mundi erklärt der Frau, dass Atiycuy keine Verträge mit den Menschen, denen wir helfen, abschließt. Das Einzige, wo sie ihren Namen eintragen und unterschreiben ist die Teilnehmerliste, die wir in jedem Taller rumgehen lassen. Sie dient alleine zur Dokumentation und zum Nachweis dafür, dass dieser Taller auch wirklich durchgeführt wurde. Mit seiner Erklärung und seiner Art, in der es ihm gelingt, die Sorgen der Menschen wahrzunehmen und auf diese einzugehen, schafft Mundi es auch, die Frau zu besänftigen. Es macht fast den Eindruck, als hätte er sie vom Gegenteil ihrer gerade geäußerten Meinung überzeugt.
Am Ende des Tallers äußert Mundi die Idee, dass eine Gruppe von Dorfbewohnern in einem Kombi für einen Tag nach Villa Rica ins Casa Atiycuy reisen könnte, um unsere Organisation und das Team vor Ort besser kennenzulernen. Eine Maßnahme, die den Dorfbewohnern die Möglichkeit geben soll, sich ein eigenes Bild von unserer Organisation zu machen und somit auch mehr Vertrauen zu schaffen.
Am Ende des Talleres mache ich wie immer ein Gruppenbild von allen Teilnehmern und Mundi. Mundi unterhält sich noch kurz mit Juan*. Ein junger Mann, der auch am Taller teilgenommen hat, fragt mich, ob seine Tochter mit mir ein Bild machen könnte. Ich finde das ein bisschen befremdlich, sage aber ja. Er holt seine Tochter und macht mit seinem Smartphone ein Foto von uns beiden.
Nach einem kurzen Snack in dem kleinen Laden verabschieden wir uns – immerhin müssen wir wieder knapp 4 Stunden im Auto nach Villa Rica fahren. Bei der Verabschiedung fragt mich die ältere Frau: „Gringa, wirst du wieder in unser Dorf kommen?“. Etwas verwundert aufgrund der Anrede, bejahe ich ihre Frage und sie scheint leicht erfreut darüber.
Später, als wir im Auto auf schmalen Straßen, die sich den Berg hinauf- und hinabschlängeln und durch Bäche und kleine Flüsse führen, wieder zurück fahren, erzähle ich Mundi von meinen Begegnungen mit den Dorfbewohnern nach dem Taller. Er scheint zufrieden zu sein und meint, dass diese ein gutes Zeichen sind. Die Menschen scheinen mich zu akzeptieren und langsam etwas Vertrauen zu fassen. Das freut mich wirklich sehr und ich bin sehr gespannt darauf, wie sich die Beziehung zwischen den Dorfbewohnern und mir im Laufe dieses Jahres weiter entwickeln wird.
*Name geändert
Wenn ihr mehr über meine Erfahrungen in Perú lesen wollt, dann schaut doch mal in meinem Blog vorbei!
https://yvonnewehle.wixsite.com/loslassen-wachsen
Eure Yvonne
Seit fast vier Monaten lebe ich jetzt hier in diesem kleinen Städtchen mit den staubigen Sandstraßen und den kleinen halbverfallenen Häusern, zwischen denen auf Kopfhöhe Stromkabel hängen und Hunde vor kleinen Gemüse- und „Krimskrams“- Läden schlummern. Fast vier Monate… Mir kommt es gleichzeitig vor als würde ich wenige Wochen oder aber bereits ein Jahr hier leben und jede Woche über holprige Straßen in die indigenen Gemeinden (Comunidades) fahren, um dort mit den Yaneshagemeinschaften zu arbeiten, in Villa Rica Klimamärsche oder ein interkulturelles Camp mit allen Kindern des Kinderpatenprogramms, aus den Comunidades und aus Villa Rica, organisieren, oder an einem Seminar zur Erarbeitung einer Yaneshaverfassung teilnehmen. Wir vier Freiwilligen, Lisa, Yuki, Yvonne und Ich wurden auf die vier Teilbereiche unseres Projektes verteilt, um schwerpunktmäßig in verschiedenen Bereichen, die aber in einander greifen, zu arbeiten. So ist Yvonne Teil des Programms „COBIO“, dem Programm, das sich dem Schutz des Atiycuy- Naturschutzgebietes widmet, Yuki dagegen arbeitet mit Mundi in der Begleitung der Yaneshagemeinschaften in ihrem Organisationsprozess (dazu gehört unter anderem auch das Entwerfen einer Verfassung oder verschiedene Workshops zu indigenen Rechten) und Lisa arbeitet im Umweltbildungsprogramm, das zum Beispiel Workshops mit den Jugendlichen aus Villa Rica oder mit den Kindern aus den indigenen Gemeinschaften zu einheimischer Flora und Fauna oder zum Naturschutz veranstaltet.
Ich dagegen unterstütze Angelika und Henry im Kinderpatenprogramm, wo wir sowohl mit den Kindern aus Villa Rica, als auch aus den indigenen Gemeinschaften („Comunidades“) arbeiten. Mit den Kindern machen wir verschiedenste Übungen zur Förderung ihrer persönlichen Entwicklung, und zumindest in den Comunidades auch zur Stärkung ihrer kulturellen Identität. So wie letzte Woche, als wir zum Beispiel Yaneshamuster malten, oder die Kinder zum Jahresabschluss traditionelle Tänze aufführten, die sie in der Schule gelernt haben. Ich liebe es nach den Workshops mit den Kindern im Fluss zu schwimmen oder ihnen ein paar Worte Englisch bei zu bringen, nach denen sie mich mit unglaublicher Neugier fragen, fast so sehr wie das Strahlen in ihren Augen zu sehen, wenn sie auf Yanesha ein Lied vorsingen, oder mir versuchen bei zu bringen, wie man Carachamas (Panzerwelse) im kristallklaren Fluss fängt.Beinahe vier Monate leben und arbeiten wir jetzt hier, und langsam habe ich das Gefühl, das dieses Städtchen zwischen Kaffeplantagen und Bergregenwäldern fast zu einem zweiten Zuhause für mich geworden ist.Und dennoch gibt es immer wieder diese kurzen Momente, in denen ich auf einmal bemerke, wie anders doch alles ist. Ich gehe durch die staubigen Sträßchen, vorbei an ausgemergelten Straßenhunden, die vor kleinen Holzschuppen schlafen, vorbei an klappernden Mototaxis und mit Lautsprechern durch die Stadt fahrenden Churrosverkäufern. Am Straßenrand sitzen einige alte Damen in ausgeblichener andiner Tracht, vor ihnen mehrere Töpfe aus denen sie „Masamora“ und Milchreis schöpfen, um irgendwie etwas Geld zu verdienen.
Eine alte Frau spricht mich an, bettelt um ein paar Soles und ich weiß nicht, wie ich reagieren soll. Ich biege ab. Plötzlich bin ich in einer kleinen Seitenstraße. Kinder in löchrigen, dünnen Kleidern spielen im Staub zwischen den kleinen Hütten. Ein paar von Ihnen kenne ich aus den Mittwochsworkshops. Was diese Kinder alles erleben mussten. Der Vater im Gefängnis, weil er die große Schwester vergewaltigt hat, die Mutter krank, kann nicht arbeiten. Eine Großmutter, die ihr Essen den Kleinen gibt, weil das Geld nicht reicht, um Reis zu kaufen. Die Eltern Tagelöhner auf den Feldern. Kinder, die Obst bei den Nachbarn klauen, sich mit Waschmittel waschen, weil das Shampoo zu teuer ist. Wir können uns nicht vorstellen, wie es ist so zu leben. Abends mit knurrenden Mägen ins Bett zu gehen, von anderen diskriminiert zu werden, weil man alte Klamotten trägt oder sich Schulmaterialien nicht leisten kann. Wir können es uns nicht vorstellen und zu oft verschließen wir die Augen, aus Hilflosigkeit, aus Ignoranz, aus Egoismus. Ich weiß es nicht. Ich selbst merke, wie schwer es mir fällt mich in ihre Lage zu versetzen, zu handeln und nicht wie so oft weg zu sehen, die Augen zu verschließen, vor dem Leid der Anderen. Es ist 5.30 und wir fahren in eine der Comunidades. Auf dem Weg dorthin fällt mir immer wieder auf, wie viel Müll hier am Straßenrand liegt. Was für ein Kontrast zu der Lebensweise der Yanesha, die traditionell zusammen mit und in der Natur leben. Nach einer Stunde Wanderung kommen wir komplett verschwitzt in diesem kleinen Dorf an, und ich fühle mich für einen Augenblick wie in der Zeit zurückversetzt, wie in einer anderen Welt. Genauso wie ich mich fühlte, als die Yanesha an ihrem Jubiläum um das Lagerfeuer tanzten begleitet von Panflötenmusik und traditionellen Gesängen oder, wenn die Kinder einem am Fluss versuchen beizubringen, wie man mit den Händen Carachamas (Panzerwelse) fängt. Doch diese Momente sind nur noch Ausnahmen, selbst in den sehr besonderen Gemeinschaften, mit denen wir arbeiten, die im Gegensatz zu vielen ihre Kultur noch nicht aufgegeben haben. Doch auch hier verlieren die Leute immer mehr ihre Traditionen, ihre Sprache, ihre Kultur, die bald auszusterben droht. Mein Blick streift über die kleinen Hütten mit Palm- oder Wellblechdächern, zwischen denen Hühner im Staub scharren und Kinder von den Bäumen Früchte pflücken. Ein kleines Mädchen, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt, kommt auf mich zu. Auf ihrem Arm trägt sie ihren gerade mal zwei Jahre alten Bruder. Die Eltern sind Kleinbauern oder arbeiten im nächsten Dorf, um ein paar Soles zu verdienen, während ihre kleinen Kinder zuhause bleiben, um auf ihre kleinen Geschwister aufzupassen. Wie kümmert sich ein sechs jähriges Kind um seinen zwei jährigen Bruder, wenn es doch zur Schule gehen soll? Was passiert mit einer Familie, wenn die alleinerziehende Mutter plötzlich nicht mehr als Tagelöhnerin auf der Plantage arbeiten kann, kein Geld mehr verdient, um Lebensmittel oder Medikamente zu kaufen? Viele Familien ziehen in die Städte, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, irgendwann. Sie leben in der Stadt, um dort Arbeit zu finden, oder, damit ihre Kinder studieren können, doch mit dem Umzug in die Stadt verlieren viele ihre Kultur. Sie kommen nach Lima, Huancayo oder Villa Rica und werden statt mit offenen Armen mit Beleidigungen begrüßt. Sie wären „chunchos“ (das heißt so viel wie „Wilde“), könnten nichts, wären niemand. Kinder, die in Kushmas (die traditionellen Gewänder der Yanesha) zur Schule kommen, werden als Hexe bezeichnet, ausgelacht, ausgegrenzt. Kein Wunder, dass viele Familien ihre Kultur nicht mehr weitergeben.Hier in Villa Rica liegt die Kolonialisierung nicht lange zurück. Die Dorfältesten haben noch miterlebt, wie die deutschen Siedler kamen, um ihnen alles zu nehmen. Doch bis heute sind sie Opfer von Diskriminierung, der Ausbeutung, dem Landraub. Was früher Kautschuk war ist heute Erdöl, das mit großen Tanklasterkarawanen aus dem Regenwald transportiert wird.
Schaut man sich die Situation der Menschen hier an, wird klar warum die Arbeit so vielseitig ist. Es muss nicht nur mit den Kindern gearbeitet, sondern auch mit Behörden verhandelt werden, die Yaneshagemeinschaften müssen aufgeklärt, organisiert und unterstützt werden, um illegalen Landraub zu verhindern, und den Regenwald vor dem Absterben zu bewahren. 3500 Jahre. So lange hat die faszinierende Kultur der Yanesha überlebt, doch wer weiß wie lange es sie noch geben wird. Ich beobachte die Kinder, wie sie ihre Geschwister über die Felder tragen. Denke an die Familien, mit denen wir hier arbeiten, an Familien, die abends kein Essen auf den Tisch bringen können, während wir in Deutschland massenweise Lebensmittel wegwerfen. Wie kann es sein, dass Menschen noch immer aufgrund ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert werden, im Krankenhaus heimgeschickt werden, ihre Kultur verleugnen, nur weil sie anders sind? Wie kann es sein, dass Gemeinschaften ihr Land geraubt wird, um Öl aus dem Boden zu holen, Holz zu schlagen oder Ananasfelder zu schaffen, ohne nur einmal die Betroffenen zu fragen? Was ist unsere Rolle in all diesen Dingen? Sind es nicht auch wir, die billige Früchte wollen, die immer mehr Erdöl fordern, um unser Leben im Luxus zu ermöglichen? Viel zu oft verzetteln wir uns in den Problemen unserer kleinen Alltagswelt, unseres Staates, unseres eigenen kleinen Tellerrandes, ohne auch nur ansatzweise zu schätzen zu wissen, wie gut wir es eigentlich haben. Dankbar zu sein, dafür in einem Staat zu leben, ohne Politiker, die reihenweise hinter Gittern sitzen, wegen Korruptionsvorwürfen. Dankbar zu sein, dass wir eine Krankenversicherung haben, durch die wir im Notfall eine ärztliche Behandlung erhalten können, und nicht aus Geldmangel in Lebensgefahr schweben. Dankbar zu sein, für die Möglichkeit entscheiden zu können, was wir essen, sogar so sehr im Überfluss zu leben, dass reihenweise Lebensmittel in der Tonne landen. Haben diese drei Monate meine Sicht auf die Welt geändert? Mich zu einem anderen Menschen gemacht? Ich weiß es nicht. Aber vielleicht sind es diese Augenblicke, die einen für einen kleinen Moment die Welt durch andere Augen sehen lassen, die uns ermöglichen eine andere Perspektive einzunehmen. Eindrücke, die Fragen aufwerfen, Zweifel, an der Art wie wir leben, was wir tun, oder eben gerade nicht tun. Augenblicke und Erfahrungen, die uns begleiten werden, uns bewusster werden lassen, und hoffentlich auch langfristig unser Handeln beeinflussen. Denn wir leben eben nicht in anderen Welten, so unterschiedlich die Kultur, das Zusammenleben, die Lebenssituation auch sein mag, sondern teilen einen Planeten, eine Welt.
Als wir vor sechs Wochen in Villa Rica aus dem Bus aus Lima stiegen, hatten wir keine Vorstellungen, was uns erwarten würde. Wir kannten die Beschreibungen von früheren Freiwilligen, von Visioneers und vom Skype-Gespräch mit Eli, unserer Chefin, doch so genau war uns nicht klar, wie hier alles aussehen und laufen sollte. Inzwischen fühlt es sich an, als wären wir gleichzeitig schon ein Jahr und erst einen Tag hier. Das Team Atiycuy hat uns sofort in seine kleine Familie aufgenommen und die Arbeit ist inzwischen zum Alltag geworden.
Da wir vier Freiwillige sind, wurden wir auf die vier verschiedenen Programme aufgeteilt. Alisa arbeitet bei ANNA, dem Programm für Kinder und Jugendliche. Yuki arbeitet mit Mundy bei CCNN, dem Programm, das mit den Yanesha zusammenarbeitet und diese im Prozess der Selbstverwaltung unterstützt. Yvonne wurde in Projekt Nummer drei, COBIO, untergebracht. Dieses arbeitet in der Concesión, einem 18.000 ha großen Gebiet Primärregenwald und dessen Dörfer. Das letzte Programm ist GEA, in dem ich arbeite. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Umweltbildung der Jugendlichen aus Villa Rica, aber auch der Comunidades. Außerdem organisieren wir immer wieder größere Projekte. So zum Beispiel am 27. September unseren Fridays-For-Future-Marsch durch Villa Rica, an dem fast 80 Leute teilgenommen haben, darunter viele Schulen und Vertreter der Stadt.
Atiycuy Perú arbeitet mit fünf verschiedenen Comunidades, den Yanesha-Dörfern, zusammen. Wenn wir in die Comunidades fahren, treffen wir jedes Mal beeindruckende Menschen, die uns herzlich empfangen und stolz auf ihre Kultur sind. Besonders inspirierend empfinde ich die Selbstlosigkeit der Yanesha. Als wir vor einer Woche plötzlich mitten im Regenwald im Platzregen standen und nicht mehr zum Auto laufen konnten, winkte uns sofort eine Yanesha-Mutter mit zwei kleinen Kindern in ihr Ein-Zimmer-Haus und schenkte uns ihr Mittagessen, damit wir uns anschließend trocken und gesättigt auf den Heimweg machen konnten. Schöne und sehr besondere Momente erleben wir immer wieder, wenn die Yanesha ihren Stolz für ihre Kultur zeigen. Ob sie ihr Kunsthandwerk anfertigen und an kleinen Ständen auf dem Wochenmarkt in Villa Rica verkaufen, die Kinder traditionelle Tänze tanzen oder ob uns ältere Damen zeigen, wie man Schmuck für das Cushma, das traditionelle Gewand, anfertigt, immer wieder wird uns klar, dass die Yanesha einen einzigartigen kulturellen Schatz besitzen.
Die Arbeit mit den Yanesha ist vielseitig und unterscheidet sich je nach Programm. Während Alisa mit den Kindern über die Yanesha-Identität, Persönlichkeitsempfinden und das Kulturgut der Yanesha spricht, liegt der Fokus bei Yukis Programm auf den Menschen- und Indigenenrechten sowie auf der Organisation der Comunidades untereinander. Der Schwerpunkt bei GEA, meinem Programm, wurde auf die lokale Flora- und Fauna, Nachhaltigkeit und Ökotourismus gelegt. Und alle Programme vereint spiegeln den ganzheitlichen Ansatz Atiycuy Perús wider.
Während die Comunidades, mit denen wir zusammenarbeiten, sonst nicht viel mit Nicht-Yanesha zu tun haben, gibt es hier jedoch auch Comunidades, die im starken Kontrast dazu stehen. Letztes Wochenende fuhren wir für zwei Tage zu unserem Mentor und seiner Familie. Lercio und seine Tochter besuchten dann am Samstag mit uns eine Ashaninka-Comunidad. Und wir waren mehr als schockiert, als wir uns inmitten eines Touristenzentrums wiederfanden. Dem Touri wird das traditionelle Gewand angezogen, bevor er zum Tanzen mit, man kann es schon so bezeichnen, traditionell bemalten Strippern und zum Kaufen von angeblich dort hergestellten Andenken geschickt wird. Wir fühlten uns, als hätten wir unsere Yanesha-Freunde mit diesem Besuch verraten. Die Ashaninka-Comunidad war bereits im Grundriss darauf aufgebaut, dass der Tourist an möglichst vielen Ständen vorbeilaufen muss, um das Programm anschließend mit einer Gruppe anderer Touristen zu erleben. Wir hatten jedoch nicht das Gefühl, dass sich die Ashaninka überhaupt mit ihrer Kultur identifizieren können. Alles wirkte viel zu bunt, die Tänze und Gesänge für den Touristen angepasst. Nicht nur die Stripper schreckten uns ab, auch der Fakt, dass danach jedem Touristen ein Kind an die Hand gegeben wurde, das und zu den Marktständen führte, war befremdlich. Die Kinder vermeiden persönliche Antworten, weichen Fragen nach Arbeit und Wohlbefinden aus und lenken schnell ab, sollten sie doch einmal zu ehrlich gewesen sein. Schlussendlich waren wir froh, endlich wieder in Lercios Auto steigen zu können und wegzufahren.
Doch ein schlechter Nachgeschmack bleibt: Zwar ist uns natürlich bewusst, dass hier die Kultur wie Bananen verkauft wurde, wir kennen den Gegensatz dazu aus den Yanesha-Comunidades. Aber mit uns waren dort neben Familien auch Schulklassen, die wohl nun nur dieses Bild von Indigenen Gemeinschaften haben. Das ganze Konzept ist also höchst fraglich. Obwohl – das muss man dazu sagen – die Ashaninka natürlich Geld damit verdienen, sich selbst versorgen können und nicht auf Plantagenarbeit angewiesen sind.
Die Ökonomie der Yanesha-Comunidades basiert auf der lokalen Landwirtschaft. Sie bauen Yuca und Kakao an, verkaufen Eier und sind deshalb nicht abhängig von Tourismus. Zusammen mit den Comunidades-Bewohnern arbeiten wir daran, neue Wirtschaftszweige für sie zu erschließen. Ökotourismus und Kunsthandwerk sollen dabei eine große Rolle spielen. Wir werden sehen, wie sich das ganze entwickeln wird!
– Saludos nach Deutschland schicken Alisa, Yvonne & Yuki!
Seit über einem halben Jahr bin ich nun schon Freiwilliger einer peruanischen NGO in einem Dorf namens Villa Rica, gelegen in den Bergregenwäldern Perus. Nun versuche ich euch einmal näher zu bringen, wie man sich die Arbeit für Atiycuy Perú und das Leben im Projekt vorstellen kann.
Das Projekt selbst werde ich nur noch mal grob erklären, da es ja bereits in der Projektbeschreibung und der Homepage (http://atiycuy-peru.org) vorgestellt wird; diese ist allerdings stark veraltet, letztes Jahr wurde dauernd an einer neuen gearbeitet. Was daraus geworden ist oder ob die neue Homepage noch kommt, keine Ahnung ¯\_(ツ)_/¯.
Das Projekt besteht aus vier Programmen (fünf, wenn man die Freiwilligen mitzählt): ANNA (Acompañamiento de niños, niñas y adolescentes; aka Patenkinderprojekt), CCNN (Comunidades Nativas; Dorfentwicklungsprojekt indigener Gemeinschaften), COBIO (Conservación y Biodiversidad; Naturschutzprogramm welches sich um die 18000 Ha Wald (Concesción) kümmert) und GEA (Gestión y Educación Ambiental; Umweltmanagement und –bildung), welches ich ein wenig genauer erklären kann/werde, da ich zu 90% hierfür arbeite.
Die Arbeit der Freiwilligen ist immer komplett unterschiedlich, je nach dem mit welchem der vier Koordinatoren man halt zusammenarbeitet. Da ich momentan jedoch der einzige Freiwillige bin, helfe ich auch regelmäßig bei den anderen Programmen mit aus. Die Arbeit für CCNN besteht größtenteils aus der Vorbereitung und Durchführung der Versammlungen/Besprechungen in den Comunidades (indigenen Dorfgemeinschaften).
Für COBIO gilt ähnliches, diesmal jedoch in den Dörfern rund um die Concesción (natürlich sind die Themen der Versammlung ganz andere). In näherer Zukunft wird dann auch mit der Arbeit im Wald selbst begonnen (z.B. Kameras aufstellen). Die Arbeit für ANNA gestaltet sich dagegen etwas unterschiedlicher.
Jeden Mittwoch um 16 Uhr kommen die Kinder und Jugendlichen Villa Ricas zu den Talleres (ins Programm eingeschrieben sind derzeit etwa 120, es kommen jedoch meistens zwischen 30 – 50 Kinder und 20 – 25 Jugendliche).
Diese müssen natürlich vorbereitet und durchgeführt werden, wobei man als Freiwilliger auch gerne seine eigenen Ideen einbringen kann/darf/soll. Hierbei gilt allerdings zu erwähnen, dass man peruanische 12 – 16-Jährige nicht mit deutschen vergleichen kann, eher mit deutschen Kindergartenkindern (kein Witz). Regelmäßig müssen auch die Lebensgeschichten kleiner peruanischer Kinder ins Deutsche übersetzt werden, damit diese deutsche Paten finden. Und hin und wieder auch Grüße der Kinder an ihre Paten in Deutschland. Da ANNA aber auch mit den Kindern einiger Comunidades zusammenarbeitet, geht es im Rahmen dessen auch regelmäßig samstags (die Kinder haben ja auch Schule) in die Comunidades, wo man mit den Kindern und Jugendlichen dort (welche wesentlich reifer sind als ihre Altersgenossen in Villa Rica) dann z.B. Pfeil und Bogen schnitzt oder sich Geschichten seiner Kultur erzählt. Nicht selten geht es dann danach auch mal zum Baden in den Fluss.
Jetzt zu meiner Arbeit (und dem Leben. Da man ja im Projekt auch lebt, vermischt sich das ganze auch zwangsläufig etwas). Arbeitsbeginn ist um 8:30 Uhr (natürlich für alle, außer man fährt in eine der Comunidades oder die Concesción, dann geht es um 5 – 6 Uhr los), davor gibt es Frühstück (meistens Haferschleim oder Quinoa, dazu Obst und Fruchtsaft). Zum Essen allgemein sollte man noch sagen, dass auf persönliche Wünsche eigentlich meistens eingegangen wird (solange man diese denn äußert und auch mal dranbleibt, sollte es vergessen werden). Möglichkeiten selbst zu kochen gibt es auch, ab Samstagabend ist die Köchin nicht da, die Küche ist auch ziemlich gut ausgestattet. Mittag ist von 13 – 14:30, Feierabend ist um 18:30, danach gibt es Abendessen.
Samstags wird normalerweise auch gearbeitet, das wird für die kommenden Freiwilligen aber glaube ich abgeschafft. Da ich hauptsächlich für GEA arbeite, bin ich meistens im Garten oder dem kleinen Waldstückchen neben dem Haus unterwegs. Darin befindet sich ein kleiner Rundweg, den wir zu einer Art Waldlehrpfad machen. Letzte Woche war eine Biologin, spezialisiert auf Dendrologie , zu Besuch und hat die vorhandenen Baumarten des Waldes bestimmt (knapp einhundert).
Arbeit die jetzt noch ansteht ist z.B. das Beschriften der Schildchen an den Bäumen mit den wissenschaftlichen Namen. Ich werde Bilder machen und mithilfe von Carlos (welcher mit mir im Garten arbeitet und auch aus einer indigenen Yanesha-Gemeinschaft stammt und daher auch alles über die einheimischen Pflanzen und deren Verwendung weiß) eine Liste der Heilpflanzen erstellen.
Weitere Arbeit ist z.B. das Bauen von Nistkästen, Vogelfutterstellen, Blumen pflanzen, Hunde füttern und rauslassen (ja, es gibt auch zwei Hunde, Orran (Yanesha für Bär) und Mayar (Tiger)), Hochbeete oder Kräuterspiralen bauen, Pflanzen gießen etc. Hier kann man natürlich auch gerne seine eigenen Ideen einbringen, was man denn so machen will. Das alles hat zum Ziel, den Kindern (nicht nur, aber vor allem) die Vielfalt und Schönheit der Natur ihrer Heimat zu zeigen, damit sie lernen diese zu schätzen und zu bewahren, denn der gemeine Peruaner geht mit seiner Umwelt in der Regel absolut respektlos um.
Soviel zur Arbeit, jetzt noch kurz zum Leben im Hause Atiycuy:
Fast alle Mitarbeiter leben gemeinsam hier im Projekt. Einige fahren an den Wochenenden nach Hause zu ihren Familien, manche öfter manche seltener. Es gibt insgesamt zwei Häuser, Block A (in dem sich fast alles befindet, also Esszimmer, Büros, Auditorium und einige Schlafzimmer) und Block B (frisch fertiggestellt, hier gibt es Schlafzimmer und einen Aufenthaltsraum, wie genau der jetzt allerdings gestaltet wird ist noch fragwürdig, da sich Pläne hier alle zehn Minuten ändern). In den Schlafzimmern sind zwei bis drei Betten, in Block A hat jeder sein eigenes Bad, Block B hat nur ein Bad. Jedoch wird auch immer gebaut und etwas geändert, deswegen kann ich nicht sagen, wie es in Zukunft aussieht.
Privatsphäre (ist hier in Peru aber auch eher ein Fremdwort) gibt es nur im eigenen Zimmer, zum Ausruhen gibt es ein Sofa und einen Sitzsack im Esszimmer, ich hab mir noch eine Hängematte für den Garten gemacht (die nehme ich aber mit, ihr müsst euch schon eure eigene machen – wie das geht, zeigt euch Carlos).
Die Mitarbeiter bleiben eigentlich bis sie ins Bett gehen im Büro. Wlan gibt es auch, mal schneller, mal gar nicht.
Ansonsten gibt es nicht viel zu sagen, eigentlich sind alle im Projekt sehr entspannt und freundlich. Villa Rica an sich ist ein recht kleines Dorf, es gibt ein paar (Karaoke-)Bars und Discos, einen Mirador (Aussichtspunkt), zwei Wasserfälle in der Nähe und einen recht großen See. Zur Freizeitgestaltung kann man an den Wochenenden auch die Städte in der Nähe besuchen oder mal nach Lima fahren (10 Stunden Bus über Nacht). Oder ihr fragt einfach eure Mitarbeiter, die kennen in jedem Teil Perus irgendwen, der euch etwas zeigen kann.