Als wir vor sechs Wochen in Villa Rica aus dem Bus aus Lima stiegen, hatten wir keine Vorstellungen, was uns erwarten würde. Wir kannten die Beschreibungen von früheren Freiwilligen, von Visioneers und vom Skype-Gespräch mit Eli, unserer Chefin, doch so genau war uns nicht klar, wie hier alles aussehen und laufen sollte. Inzwischen fühlt es sich an, als wären wir gleichzeitig schon ein Jahr und erst einen Tag hier. Das Team Atiycuy hat uns sofort in seine kleine Familie aufgenommen und die Arbeit ist inzwischen zum Alltag geworden.

Da wir vier Freiwillige sind, wurden wir auf die vier verschiedenen Programme aufgeteilt. Alisa arbeitet bei ANNA, dem Programm für Kinder und Jugendliche. Yuki arbeitet mit Mundy bei CCNN, dem Programm, das mit den Yanesha zusammenarbeitet und diese im Prozess der Selbstverwaltung unterstützt. Yvonne wurde in Projekt Nummer drei, COBIO, untergebracht. Dieses arbeitet in der Concesión, einem 18.000 ha großen Gebiet Primärregenwald und dessen Dörfer. Das letzte Programm ist GEA, in dem ich arbeite. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Umweltbildung der Jugendlichen aus Villa Rica, aber auch der Comunidades. Außerdem organisieren wir immer wieder größere Projekte. So zum Beispiel am 27. September unseren Fridays-For-Future-Marsch durch Villa Rica, an dem fast 80 Leute teilgenommen haben, darunter viele Schulen und Vertreter der Stadt.

Atiycuy Perú arbeitet mit fünf verschiedenen Comunidades, den Yanesha-Dörfern, zusammen. Wenn wir in die Comunidades fahren, treffen wir jedes Mal beeindruckende Menschen, die uns herzlich empfangen und stolz auf ihre Kultur sind. Besonders inspirierend empfinde ich die Selbstlosigkeit der Yanesha. Als wir vor einer Woche plötzlich mitten im Regenwald im Platzregen standen und nicht mehr zum Auto laufen konnten, winkte uns sofort eine Yanesha-Mutter mit zwei kleinen Kindern in ihr Ein-Zimmer-Haus und schenkte uns ihr Mittagessen, damit wir uns anschließend trocken und gesättigt auf den Heimweg machen konnten. Schöne und sehr besondere Momente erleben wir immer wieder, wenn die Yanesha ihren Stolz für ihre Kultur zeigen. Ob sie ihr Kunsthandwerk anfertigen und an kleinen Ständen auf dem Wochenmarkt in Villa Rica verkaufen, die Kinder traditionelle Tänze tanzen oder ob uns ältere Damen zeigen, wie man Schmuck für das Cushma, das traditionelle Gewand, anfertigt, immer wieder wird uns klar, dass die Yanesha einen einzigartigen kulturellen Schatz besitzen.

Die Arbeit mit den Yanesha ist vielseitig und unterscheidet sich je nach Programm. Während Alisa mit den Kindern über die Yanesha-Identität, Persönlichkeitsempfinden und das Kulturgut der Yanesha spricht, liegt der Fokus bei Yukis Programm auf den Menschen- und Indigenenrechten sowie auf der Organisation der Comunidades untereinander. Der Schwerpunkt bei GEA, meinem Programm, wurde auf die lokale Flora- und Fauna, Nachhaltigkeit und Ökotourismus gelegt. Und alle Programme vereint spiegeln den ganzheitlichen Ansatz Atiycuy Perús wider.

Während die Comunidades, mit denen wir zusammenarbeiten, sonst nicht viel mit Nicht-Yanesha zu tun haben, gibt es hier jedoch auch Comunidades, die im starken Kontrast dazu stehen. Letztes Wochenende fuhren wir für zwei Tage zu unserem Mentor und seiner Familie. Lercio und seine Tochter besuchten dann am Samstag mit uns eine Ashaninka-Comunidad. Und wir waren mehr als schockiert, als wir uns inmitten eines Touristenzentrums wiederfanden. Dem Touri wird das traditionelle Gewand angezogen, bevor er zum Tanzen mit, man kann es schon so bezeichnen, traditionell bemalten Strippern und zum Kaufen von angeblich dort hergestellten Andenken geschickt wird. Wir fühlten uns, als hätten wir unsere Yanesha-Freunde mit diesem Besuch verraten. Die Ashaninka-Comunidad war bereits im Grundriss darauf aufgebaut, dass der Tourist an möglichst vielen Ständen vorbeilaufen muss, um das Programm anschließend mit einer Gruppe anderer Touristen zu erleben. Wir hatten jedoch nicht das Gefühl, dass sich die Ashaninka überhaupt mit ihrer Kultur identifizieren können. Alles wirkte viel zu bunt, die Tänze und Gesänge für den Touristen angepasst. Nicht nur die Stripper schreckten uns ab, auch der Fakt, dass danach jedem Touristen ein Kind an die Hand gegeben wurde, das und zu den Marktständen führte, war befremdlich. Die Kinder vermeiden persönliche Antworten, weichen Fragen nach Arbeit und Wohlbefinden aus und lenken schnell ab, sollten sie doch einmal zu ehrlich gewesen sein. Schlussendlich waren wir froh, endlich wieder in Lercios Auto steigen zu können und wegzufahren.

Doch ein schlechter Nachgeschmack bleibt: Zwar ist uns natürlich bewusst, dass hier die Kultur wie Bananen verkauft wurde, wir kennen den Gegensatz dazu aus den Yanesha-Comunidades. Aber mit uns waren dort neben Familien auch Schulklassen, die wohl nun nur dieses Bild von Indigenen Gemeinschaften haben. Das ganze Konzept ist also höchst fraglich. Obwohl – das muss man dazu sagen – die Ashaninka natürlich Geld damit verdienen, sich selbst versorgen können und nicht auf Plantagenarbeit angewiesen sind.

Die Ökonomie der Yanesha-Comunidades basiert auf der lokalen Landwirtschaft. Sie bauen Yuca und Kakao an, verkaufen Eier und sind deshalb nicht abhängig von Tourismus. Zusammen mit den Comunidades-Bewohnern arbeiten wir daran, neue Wirtschaftszweige für sie zu erschließen. Ökotourismus und Kunsthandwerk sollen dabei eine große Rolle spielen. Wir werden sehen, wie sich das ganze entwickeln wird!

– Saludos nach Deutschland schicken Alisa, Yvonne & Yuki!

Seit über einem halben Jahr bin ich nun schon Freiwilliger einer peruanischen NGO in einem Dorf namens Villa Rica, gelegen in den Bergregenwäldern Perus. Nun versuche ich euch einmal näher zu bringen, wie man sich die Arbeit für Atiycuy Perú und das Leben im Projekt vorstellen kann.

Das Projekt selbst werde ich nur noch mal grob erklären, da es ja bereits in der Projektbeschreibung und der Homepage (http://atiycuy-peru.org) vorgestellt wird; diese ist allerdings stark veraltet, letztes Jahr wurde dauernd an einer neuen gearbeitet. Was daraus geworden ist oder ob die neue Homepage noch kommt, keine Ahnung ¯\_(ツ)_/¯.

Das Projekt besteht aus vier Programmen (fünf, wenn man die Freiwilligen mitzählt): ANNA (Acompañamiento de niños, niñas y adolescentes; aka Patenkinderprojekt), CCNN (Comunidades Nativas; Dorfentwicklungsprojekt indigener Gemeinschaften), COBIO (Conservación y Biodiversidad; Naturschutzprogramm welches sich um die 18000 Ha Wald (Concesción) kümmert) und GEA (Gestión y Educación Ambiental; Umweltmanagement und –bildung), welches ich ein wenig genauer erklären kann/werde, da ich zu 90% hierfür arbeite.

Die Arbeit der Freiwilligen ist immer komplett unterschiedlich, je nach dem mit welchem der vier Koordinatoren man halt zusammenarbeitet. Da ich momentan jedoch der einzige Freiwillige bin, helfe ich auch regelmäßig bei den anderen Programmen mit aus. Die Arbeit für CCNN besteht größtenteils aus der Vorbereitung und Durchführung der Versammlungen/Besprechungen in den Comunidades (indigenen Dorfgemeinschaften).

Für COBIO gilt ähnliches, diesmal jedoch in den Dörfern rund um die Concesción (natürlich sind die Themen der Versammlung ganz andere). In näherer Zukunft wird dann auch mit der Arbeit im Wald selbst begonnen (z.B. Kameras aufstellen). Die Arbeit für ANNA gestaltet sich dagegen etwas unterschiedlicher.

Jeden Mittwoch um 16 Uhr kommen die Kinder und Jugendlichen Villa Ricas zu den Talleres (ins Programm eingeschrieben sind derzeit etwa 120, es kommen jedoch meistens zwischen 30 – 50 Kinder und 20 – 25 Jugendliche).

Diese müssen natürlich vorbereitet und durchgeführt werden, wobei man als Freiwilliger auch gerne seine eigenen Ideen einbringen kann/darf/soll. Hierbei gilt allerdings zu erwähnen, dass man peruanische 12 – 16-Jährige nicht mit deutschen vergleichen kann, eher mit deutschen Kindergartenkindern (kein Witz). Regelmäßig müssen auch die Lebensgeschichten kleiner peruanischer Kinder ins Deutsche übersetzt werden, damit diese deutsche Paten finden. Und hin und wieder auch Grüße der Kinder an ihre Paten in Deutschland. Da ANNA aber auch mit den Kindern einiger Comunidades zusammenarbeitet, geht es im Rahmen dessen auch regelmäßig samstags (die Kinder haben ja auch Schule) in die Comunidades, wo man mit den Kindern und Jugendlichen dort (welche wesentlich reifer sind als ihre Altersgenossen in Villa Rica) dann z.B. Pfeil und Bogen schnitzt oder sich Geschichten seiner Kultur erzählt. Nicht selten geht es dann danach auch mal zum Baden in den Fluss.

Jetzt zu meiner Arbeit (und dem Leben. Da man ja im Projekt auch lebt, vermischt sich das ganze auch zwangsläufig etwas). Arbeitsbeginn ist um 8:30 Uhr (natürlich für alle, außer man fährt in eine der Comunidades oder die Concesción, dann geht es um 5 – 6 Uhr los), davor gibt es Frühstück (meistens Haferschleim oder Quinoa, dazu Obst und Fruchtsaft). Zum Essen allgemein sollte man noch sagen, dass auf persönliche Wünsche eigentlich meistens eingegangen wird (solange man diese denn äußert und auch mal dranbleibt, sollte es vergessen werden). Möglichkeiten selbst zu kochen gibt es auch, ab Samstagabend ist die Köchin nicht da, die Küche ist auch ziemlich gut ausgestattet. Mittag ist von 13 – 14:30, Feierabend ist um 18:30, danach gibt es Abendessen.

Samstags wird normalerweise auch gearbeitet, das wird für die kommenden Freiwilligen aber glaube ich abgeschafft. Da ich hauptsächlich für GEA arbeite, bin ich meistens im Garten oder dem kleinen Waldstückchen neben dem Haus unterwegs. Darin befindet sich ein kleiner Rundweg, den wir zu einer Art Waldlehrpfad machen. Letzte Woche war eine Biologin, spezialisiert auf Dendrologie , zu Besuch und hat die vorhandenen Baumarten des Waldes bestimmt (knapp einhundert).

Arbeit die jetzt noch ansteht ist z.B. das Beschriften der Schildchen an den Bäumen mit den wissenschaftlichen Namen. Ich werde Bilder machen und mithilfe von Carlos (welcher mit mir im Garten arbeitet und auch aus einer indigenen Yanesha-Gemeinschaft stammt und daher auch alles über die einheimischen Pflanzen und deren Verwendung weiß) eine Liste der Heilpflanzen erstellen.

Weitere Arbeit ist z.B. das Bauen von Nistkästen, Vogelfutterstellen, Blumen pflanzen, Hunde füttern und rauslassen (ja, es gibt auch zwei Hunde, Orran (Yanesha für Bär) und Mayar (Tiger)), Hochbeete oder Kräuterspiralen bauen, Pflanzen gießen etc. Hier kann man natürlich auch gerne seine eigenen Ideen einbringen, was man denn so machen will. Das alles hat zum Ziel, den Kindern (nicht nur, aber vor allem) die Vielfalt und Schönheit der Natur ihrer Heimat zu zeigen, damit sie lernen diese zu schätzen und zu bewahren, denn der gemeine Peruaner geht mit seiner Umwelt in der Regel absolut respektlos um.

Soviel zur Arbeit, jetzt noch kurz zum Leben im Hause Atiycuy:

Fast alle Mitarbeiter leben gemeinsam hier im Projekt. Einige fahren an den Wochenenden nach Hause zu ihren Familien, manche öfter manche seltener. Es gibt insgesamt zwei Häuser, Block A (in dem sich fast alles befindet, also Esszimmer, Büros, Auditorium und einige Schlafzimmer) und Block B (frisch fertiggestellt, hier gibt es Schlafzimmer und einen Aufenthaltsraum, wie genau der jetzt allerdings gestaltet wird ist noch fragwürdig, da sich Pläne hier alle zehn Minuten ändern). In den Schlafzimmern sind zwei bis drei Betten, in Block A hat jeder sein eigenes Bad, Block B hat nur ein Bad. Jedoch wird auch immer gebaut und etwas geändert, deswegen kann ich nicht sagen, wie es in Zukunft aussieht.

Privatsphäre (ist hier in Peru aber auch eher ein Fremdwort) gibt es nur im eigenen Zimmer, zum Ausruhen gibt es ein Sofa und einen Sitzsack im Esszimmer, ich hab mir noch eine Hängematte für den Garten gemacht (die nehme ich aber mit, ihr müsst euch schon eure eigene machen – wie das geht, zeigt euch Carlos).

Die Mitarbeiter bleiben eigentlich bis sie ins Bett gehen im Büro. Wlan gibt es auch, mal schneller, mal gar nicht.

Ansonsten gibt es nicht viel zu sagen, eigentlich sind alle im Projekt sehr entspannt und freundlich. Villa Rica an sich ist ein recht kleines Dorf, es gibt ein paar (Karaoke-)Bars und Discos, einen Mirador (Aussichtspunkt), zwei Wasserfälle in der Nähe und einen recht großen See. Zur Freizeitgestaltung kann man an den Wochenenden auch die Städte in der Nähe besuchen oder mal nach Lima fahren (10 Stunden Bus über Nacht). Oder ihr fragt einfach eure Mitarbeiter, die kennen in jedem Teil Perus irgendwen, der euch etwas zeigen kann.