Die dunkle Seite von Costa Rica
Als Tourist:in sieht man für gewöhnlich nur die Seite eines Landes, die das Land einen sehen lassen will. Restaurants, deren Zielgruppe Tourist:innen sind, lassen sich schließlich leicht von denen unterscheiden, in die Einheimische einkehren. Genauso verhält es sich auch mit Stadtteilen oder ganzen Regionen. Was passiert aber, wenn man diese Touristenbrille absetzt und über den Tellerrand schaut, was sieht man dann?
Da das Projekt, in dem ich arbeite, in eben jenen Regionen, fernab des Tourismus‘ aktiv ist, habe ich das Glück, einen Einblick zu bekommen.
Mein Projekt
Dazu muss ich sagen, dass ich in Turrialba lebe, sicherlich nicht der ärmste und auch nicht der gefährlichste Ort Costa Ricas. Nichtsdestotrotz gibt es viel (extreme) Armut und es passieren schreckliche Dinge, wie der Tod eines Mannes durch eine Schusswaffe vor einigen Monaten oder Überfälle.
Ich arbeite für den Lions Club international und einen Leo Club. Das sind ehrenamtliche Vereinigungen mit recht großem sozialen Einfluss. Es werden Spenden gesammelt, mit denen dann Lebensmittel, Medikamente, medizinische Artikel wie Rollstühle, Windeln oder medizinische Betten gekauft werden können, die an ausgewählte Familien verschenkt oder verliehen werden, die von extremer Armut betroffen sind. Oft ist der Ursprung der Probleme der Familien die hohe Arbeitslosigkeit und Schwangerschaften Minderjähriger. Nicht selten erhalten z.B. 22-jährige Frauen mit mehreren Kindern diverse Hilfen. Der extremste Fall, den ich bisher mitbekommen habe, ist eine 25-jährige Schwangere, die unter Gebärmutterkrebs leidet und bereits fünf Kinder hat, das älteste ist 8 Jahre alt.
Die Arbeit mit Obdachlosen
Ein Projekt, das der Club Leo von Zeit zu Zeit organisiert, besteht darin, Essen an obdachlose Menschen zu verteilen. Da man dafür in die gefährlicheren Viertel muss, begibt sich die Gruppe aus Sicherheitsgründen in eine Art „Formation“. Dabei tragen die Personen in der Mitte der Gruppe das Essen, meistens sind das die Frauen, während außen ihre männlichen Kollegen laufen. Grundsätzlich gilt, dass man in dem Bereich bleibt, in denen Straßenlaternen den Weg beleuchten.
Größtenteils kommt es aber zu sehr angenehmen Begegnungen. Die Menschen sind oft erst skeptisch, dann ehrlich dankbar und freundlich, und auch wenn man erst in einem rauen Ton angesprochen wurde, endet so eine Begegnung oft damit, dass einem Gottessegen gewünscht wird. Manchmal erfährt man auch, warum die Personen auf der Straße leben, meistens wegen (struktureller) Arbeitslosigkeit oder aus familiären Gründen oder Krankheit.
Doch Menschen sind unberechenbar, deshalb können auf solchen Touren auch gefährliche Situationen entstehen. Einmal begegneten wir zwei Frauen, die beinahe in eine Prügelei verwickelt wurden. Eine stämmige Frau ging gerade auf eine schmächtige los, als wir in die Straße einbogen. Sie wollte offenbar etwas von ihr, wahrscheinlich handelte es sich um Drogen. Wie reagiert man in so einer Situation? Wer mischt sich freiwillig in eine handgreifliche Auseinandersetzung ein? Wohl niemand. Doch wenn eine der betroffenen Personen einen um Hilfe anfleht? Einfach zu gehen, ist keine Option. Wir versuchten also auf verbale Weise zu schlichten, woraufhin die unterlegene Frau zu uns flüchtete, was uns zwischen die Streitenden brachte. Glücklicherweise hatte die Tatsache, dass wir Essen mitgebracht hatten, eine besänftigende Wirkung. Wir verteilten wir also die Portionen und beobachteten anschließend, wie die zwei in unterschiedliche Richtungen davongingen.
Auch wenn nichts passiert war, macht einem eine solche Begegnung klar, warum die Menschen so vorsichtig sind und warum sie nicht wollen, dass man nachts allein unterwegs ist. Denn was wäre passiert, wenn man alleine in diese Auseinandersetzung geraten wäre? Oder wenn wir kein Essen dabeigehabt hätten?
Doch es entstehen auch Momente, die fast schon komisch sind. Eine solche Begegnung hatte wir an einem Ort, der dafür bekannt ist, dass dort Prostituierte ihr Geschäft abwickeln. Wir schienen in einem falschen Moment gekommen zu sein, denn wir wurden weggeschickt, aus Angst, wir könnten den Freier in die Flucht treiben. Als wir auf dem Rückweg waren, begegneten wir der Frau erneut. Eine kleine, zierliche Frau, der die Schneidezähne fehlten, die aber ein heiteres Wesen zu haben schien. Als sie uns wiedersah, kam sie mit einer, in dieser Umgebung grotesk wirkenden Fröhlichkeit auf uns zu und sagte:„ahora sí“, also „jetzt schon“ und nahm ihre Portion entgegen. Anschließend wurden ein paar freundliche Sätze gewechselt und sie zog von dannen.
Natürlich gibt es überall auf der Welt Orte, an die man keine Kinder allein gehen lässt oder vor allem Frauen davon abrät, sich dort herumzutreiben. Trotzdem würde ich behaupten, dass solche Warnungen in Ländern wie Costa Rica häufiger ausgesprochen werden und Menschen eher dazu bereit sind, größere Umwege in Kauf zu nehmen als ich das aus Deutschland kenne, vor allem nachts.
Und das zurecht.
VISIONEERS gGmbH
Berliner Sparkasse
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Betreff: Name + Adresse des Spenders + Freiwilligen
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