Hola, ich bin Maren und arbeite im Projekt „Valores“ in Costa Rica
Lange habe ich darüber nachgedacht, worüber ich schreiben möchte. Irgendwie gibt es so viel und ich weiß nicht, wo ich anfangen und aufhören soll. Ein Thema, das mich in meinem Freiwilligenjahr aber 24/7 begleitet, ist das Thema „Kinder“.
Mehr Kinder in Costa Rica als in Deutschland
Seit Tag 1 habe ich den Eindruck, dass ich in Costa Rica viel mehr Kinder sehe als in Deutschland. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass man in Deutschland Kinder ja schon fast suchen muss! Die Arbeit mit ihnen, die Bedeutung hier in Costa Rica, der Umgang mit ihnen, die Erziehungsmethoden, die Entwicklung, die Zukunftsaussichten etc. Kinder und der Aspekt Familie ist hier einfach viel präsenter und hat meiner Meinung nach einen anderen Stellenwert als in Deutschland.
Arbeit mit den Kindern in Parrita
Ich arbeite hier in Parrita mit Kindern aller Altersklassen, die meisten sind jedoch zwischen 6 und 12 Jahre alt. Sie kommen zu 98 % aus dysfunktionalen Familien. Die Mama wohnt alleine oder mit einem anderen Mann, der dann die Vaterfigur darstellen soll, es gibt Berührungspunkte mit dem Thema Drogen, Alkohol und Gewalt, finanzielle Armut und emotionale Armut innerhalb der Familie. Alles führt zu psychischen Belastungen und Problemen, die die Kinder in dem Alter logischerweise noch nicht verarbeiten können.
Liebende Eltern trotz Herausforderungen
Ich muss aber erwähnen, dass trotz all dieser Probleme die meisten Kinder dennoch liebende Eltern haben, die wirklich engagiert sind und alles für das Glück ihrer Kinder geben, was sie können. Die Kinder sind sich bei uns immer der Werte bewusst, die wir versuchen ihnen zu vermitteln. Sie benehmen sich wirklich gut und sind offen für Neues, neugierig und die meisten sehr lernfreudig. Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie es mir so einfach gemacht haben, einen so engen Draht zu ihnen aufzubauen. Wenn ich an meinen Abschied denke, zieht sich alles in mir zusammen. Ich bin so viel mit ihnen zusammen und weiß so viel über ihre Familien und Herkunft. Ich würde sie so gerne auf ihrem weiteren Weg begleiten… Oh je, lieber nicht darüber nachdenken, wird ja eh hoffentlich nur ein „bis bald“, statt ein festes „Tschüss“.
Die Bereicherung der Arbeit mit Kindern
Nach all der Zeit, in der ich jetzt schon mit den Kids zusammenarbeite, kann ich bestätigen, dass die Arbeit anstrengend, aber auch unfassbar bereichernd ist. Für mich überwiegt definitiv der zweite Punkt. In Deutschland habe ich einmal mit Kindern gearbeitet, jedoch noch nie so intensiv wie jetzt. Ich hatte, bevor ich nach Costa Rica geflogen bin, wirklich Sorgen, dass ich nicht mit den Kindern klarkommen werde, sei es weil sie mich langweilig finden, mich nicht respektieren oder ich zu unkreativ sein würde. Meine Mutter sagte da immer zu mir: „Kinder sind einfach, tue ihnen nichts Böses und sie mögen dich, gib ihnen ein bisschen Spaß und Liebe und sie lieben dich.“ Jep, das kann ich jetzt bestätigen.
Kleine Gesten, große Wirkung
Allein mit einem Lächeln und einem „Das sieht aber toll aus, was du da gezeichnet hast“, kann man ein Glücksgefühl in einem Kinderherzen bewirken. Es ist wunderschön zu sehen, wenn man den Jungen zum Lächeln und Lachen und wortwörtlich zum Strahlen bringt, von dem man weiß, dass er zu Hause immer nur gedeckelt und für seinen „schwierigen Charakter“ beschimpft wird. Wenn ich eins gelernt habe, dann dass das wohl größte Bedürfnis eines jeden Kindes Liebe und emotionale Sicherheit ist.
Kreativität in der Arbeit mit den Kindern
Was ich am anstrengendsten an meiner Arbeit finde, sind nicht die Kinder bzw. diese „im Zaum“ zu halten, sondern mir immer wieder neue Sachen zu überlegen, ihnen neuen Input zu geben und mir zu überlegen, was für sie in ihrer aktuellen Lebensphase und ihren aktuellen Lebensumständen am sinnvollsten ist. Von Kunstklassen, Geografie, Tanz und Schauspiel, Nähen und Technischen, Übungen zum Thema Werte, Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit, Konfliktlösung… Da muss man doch ziemlich kreativ werden.
Ehrlichkeit der Kinder
Was mir bei der Arbeit mit den Kids auch aufgefallen ist, ist, dass sie unheimlich ehrlich sind. Ob sie mir ins Gesicht sagen, dass sie mein Top echt hässlich finden, ich heute aber sehr schlecht aussehe (weil müde und mit Augenringen) oder einfach wenn sie offen Langeweile zeigen, weil ich scheinbar falsch gedacht habe und meine Planungen und Ideen doch nicht so spannend waren… Damit umzugehen lernt man aber. Ich habe es von Anfang an mit Humor genommen. Kinder sind einfach offene Bücher, unbeeinflusst von der Gesellschaft, die einem oft ehrliche Emotionen und Aussprache verbietet.
Alles in allem hat mir die Arbeit mit den Kids unfassbar viel beigebracht. Nicht nur habe ich neue persönliche Kompetenzen entwickelt, viel mehr habe ich durch Analyse und Reflektieren total viel über Kindesentwicklung und Bedürfnisse gelernt. Mit Spiel und Liebe sieht man auch in den „verhaltensauffälligen Kindern“, dass sie im Herzen genauso unschuldig sind wie alle anderen. Vielmehr finde ich es beeindruckend und traurig zugleich, wie diese Kinder ihre eigenen Strategien entwickeln, um sich vor den häuslichen und sozialen Umständen zu schützen, die sie 24/7 negativ beeinflussen.
Ausblick und Gedanken zur Zukunft
Für mich geht es bald nach Hause. Ich kann fast frei entscheiden, wie es in Zukunft mit mir weitergehen soll. Dafür bin ich unfassbar dankbar. Die Kinder aus meinem Projekt werden es schwer haben. Es gibt Stipendien und staatliche Unterstützung bzgl. einer guten schulischen Laufbahn und dementsprechend guter Zukunftsaussichten, aber sich aus dem Armutskreislauf zu schlagen, wenn man selbst in der Entwicklung ist und sich selbst noch gar nicht kennt, ist unfassbar schwierig. Besonders für diejenigen, die von zu Hause aus keine Unterstützung bekommen.
Mir liegen die Kinder mittlerweile wirklich am Herzen, meine Ängste am Anfang meines Freiwilligenjahres waren absolut unbegründet und ich wünsche jedem einzelnen dieser Rasselbande nur das Allerbeste und hoffe, dass sie ihren Weg machen und zu guten Personen mit einem Herzen voll der Werte, denen wir ihnen in unserem Projekt vermitteln, heranwachsen.