Hallo, ich heiße Leonhard und bin nun schon seit fast drei Monaten in Costa Rica und absolviere mein Freiwilliges Soziales Jahr im Projekt „Refugio en La Milpa“. La Milpa ist ein sozial schwacher Bezirk in Guararí. Ich konnte hier schon viel Neues lernen und viele schöne, aber auch viele traurige Momente erleben.
Ankunft
Der Start lief ziemlich perfekt. Ich verstehe mich wirklich sehr gut mit meiner Chefin und meiner Gastfamilie. Meine Spanischkenntnisse waren am Anfang zwar wirklich sehr schlecht, haha. Doch meine Gastfamilie hat es mir leicht gemacht. Trotz anfänglicher Sprachbarrieren verstehen wir uns super, und wir lachen sehr viel zusammen. Obwohl ich sie erst seit drei Monaten kenne, fühlt es sich so an, als würde ich hier schon seit Jahren leben. Diese Herzlichkeit sowie die Gastfreundschaft weiß ich wirklich sehr zu schätzen.
Arbeit im Projekt
Mein Projekt, „Refugio en La Milpa“, richtet sich an Kinder, die aus schwierigen Verhältnissen kommen. Die Familienstrukturen sind fast immer zerrüttet – eigentlich alle Kinder wachsen ohne Väter auf und haben oft schlechte Beziehungen zu ihren Müttern. Häusliche Gewalt sowie sexuelle Gewalt sind leider sehr weit verbreitet. Solche Geschichten von den Kindern oder meiner Chefin zu hören, ist oft erschütternd. Besonders heftig war ein zum Glück gescheiterter Suizidversuch eines 10-Jährigen vor kurzem. So etwas nimmt einen schon sehr mit, besonders wenn man die Betroffenen kennt.
Gerade deshalb ist es umso schöner, wenn die Kinder im Refugio unbeschwert lachen können. Ich gebe Mathe- und Englischunterricht an Mittwochen und Freitagen, da die Schule in La Milpa oft nur eine mittelmäßige Ausbildung bietet und die Kinder fast alle verhaltensauffällig sind, wodurch sie häufig Schwierigkeiten beim Lernen haben. Außerdem gebe ich gerade immer donnerstags einen Schachkurs, was nicht nur den Kindern Spaß macht, sondern auch ihre Konzentrationsfähigkeit fördert. Sonst betreue ich die Kinder und organisiere gemeinsam mit dem Team den Alltag im Projekt und helfe beim Kochen und bei anderen Tätigkeiten fürs Projekt.
Dienstags und donnerstags wird im Refugio Essen an die Kinder ausgegeben, das von zwei Frauen liebevoll zubereitet wird. Etwas herausfordernder war die Zeit, als meine Chefin für einen Monat in Kanada war, um Spenden zu sammeln. In diesen vier Wochen war ich zusammen mit den Frauen für das Projekt verantwortlich. Es war eine intensive, aber lehrreiche Erfahrung und dadurch, dass ich immer alleine auf so viele Kinder aufpassen musste, ist mein Spanisch automatisch in kurzer Zeit deutlich besser geworden. Trotz meines damals noch mittelmäßigen Spanisch und der Herausforderung, mit 15 pubertierenden Problemkindern zurechtzukommen, hat letztendlich alles überraschend gut geklappt.
Gemeinschaft im Projekt
Das Refugio bietet den Kindern nicht nur Hilfe im schulischen Bereich, sondern vor allem einen Ort, an dem sie Kind sein dürfen. Wenn sie lachend zu mir rennen, mich umarmen und bei Spielen oder Aktivitäten ihre Sorgen vergessen, geht mir wirklich jedes Mal das Herz auf. Aber das Refugio unterstützt nicht nur Kinder, sondern auch Frauen in La Milpa. Frauen ohne Arbeit werden hier ausgebildet, beispielsweise im Nähen. Sie fertigen waschbare Windeln und Binden für Frauen und Babys an, die nicht nur der Gemeinschaft zugutekommen, sondern ihnen auch helfen, sich ein eigenes Standbein aufzubauen. Neben dem Nähkurs gibt es auch weitere Schulungen, wie Seifen- und Kerzenkurse, die den Frauen neue Fähigkeiten und Perspektiven bieten. Dadurch haben es schon Dutzende Frauen geschafft, sich ein eigenes Standbein zu erschaffen und aus Abhängigkeiten von oft dubiosen Männern, die hier oft in der Drogenszene aktiv sind, zu entkommen.
Gründerin des Projekts
Meine Chefin, Dani, ist eine wirklich engagierte Frau. Sie arbeitet unermüdlich und mit einem riesigen Herz für die Kinder und die Menschen in der Gemeinde. Sie ist offen für neue Ideen und nimmt meine Vorschläge immer interessiert an. Ihre Energie, Leidenschaft und ihr Engagement beeindrucken mich sehr – sie ist für mich ein großes Vorbild, und ich habe großen Respekt vor allem, was sie hier leistet. Auch ihre Mutter, eine Pastorin hier, und ihr Ehemann sind ein riesiges Vorbild. Sie haben mit einigen Freunden das ganze Projekt aus dem Nichts geschaffen und mit viel körperlicher und mentaler Anstrengung einen wirklich schönen Rückzugsort für die Kinder aufgebaut.
Das Leben in Costa Rica
Abseits des Projekts habe ich auch die Offenheit und Gelassenheit der Menschen hier schätzen gelernt. Ich habe schon viele echt coole Menschen kennengelernt, und die entspannte Lebensweise hier gefällt mir sehr. Auch die Natur hier ist echt schön, und besonders die Strände sind absolut fantastisch.
Dadurch, dass es hier so viele neue Eindrücke und Erfahrungen gibt, vergeht die Zeit unglaublich schnell. Es fühlt sich an, als wäre ich gerade erst angekommen, und doch habe ich schon so viel erlebt und gelernt. Gleichzeitig fühlt sich alles schon so normal an, als wäre es schon immer so gewesen.
Freue mich auf alles, was kommt
Die letzten drei Monate waren eine Reise voller Herausforderungen, aber auch voller Freude. Ich hätte nie gedacht, dass mir die Arbeit mit den Kindern so viel Spaß machen würde. Bisher gab es wirklich keine Tage, an denen ich ins Bett gegangen bin und mir dachte: „Keine Lust, morgen zu arbeiten“ oder ähnliches. Ich freue mich wirklich immer, die Kinder zu sehen, auch wenn sie manchmal echt anstrengend sind, haha. Insgesamt bin ich wirklich extrem dankbar für alles. Nicht nur für die Gelegenheit, hier mein FSJ zu machen, sondern auch für die Arbeit in meinem Projekt, die wirklich echt cool und erfüllend ist, und natürlich für meine Gastfamilie, bei der ich mich echt wohl fühle. Ich freue mich schon auf die nächsten Monate hier!
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